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Schiller 319 Schiller
seltenen und durch den vollen Zauber
einer ungewöhnlichen Anmuth und Lie»
benswürdigkeit wirkenden Darstellerinen,
die wie Phänomene am Theaterhimmel
erscheinen und leider nur zu schnell ent^
schwinden» Als sie zehn Jahre alt war
und eine hübsche Stimme besaß, schickte
sie die Mutter in's Conservatorium, um
sie im Gesänge ausbilden zu lassen. Sie
machte ungewöhnliche Fortschritte und
zahlte immer zu den ersten Schülerinen.
Sechs Jahre lernte sie an der Anstalt, da
wurde der bekannte Gesangslehrer Gen»
t i luomo auf diese prachtige Stimme
aufmerksam. DaKath i die Mittel fehl-
ten, um einen solchen Meister entsprechend
zu honoriren, so machte ihr derselbe den
Vorschlag, sie unentgeltlich unterrichten
zu wollen, wenn sie sich
verpstichte, sobald
sie ein Engagement erhalte, ihm ein
Iahrespercent davon zu verabfolgen.
Sie ging gern darauf ein und wurde
nun für die Oper ausgebildet. Aber so
sehr sie Fortschritte im Gesänge machte,
ihr heiteres Temperament wollte für die
pathetischen Rollen nicht taugen. So
prächtig ihre Stimme sich machte, sie
konnte, wie sie gern erzahlt, um kei-
nen Preis ernst, sondern nur heiter sein.
Durch ihre Bekanntschaft mit den Töch-
tern des DirectorS Carl lernte sie dieser
persönlich kennen und erkannte in ihr so-
fort die Soubrette wie sie leibt und lebt,
und wie sehr auch ihre Stimme für dieses
Fach überwog, wurde sie doch überredet,
sich diesem Fache zu widmen. Nachdem
sie eines Tages im Carl.Theater Probe
gespielt, und zwar die Regimentstochter
und die Salome im „Talisman", sollte
sie sofort engagirt werden, als die Ereig.
niffe des Jahres 4848, welche eben her»
einbrachen, alle Theilnahme von der
Bühne ablenkten und das Engagement
unterblieb. Auf Rath des Theater-Agenten Holding nahm sie nun ein sechsmonat«
licheS Engagement in Laibach an. Aber
schon nach wenigen Tagen kam von Di«
rector Carl die Aufforderung, das En»
gagement zu losen und nach Wien zu
kommen. Daraufließ sich Fräulein Schil-
ler nicht ein, sie hielt ihren Laibacher
Contract aus. Sie war dort bald der
erklärte Liebling des Publicums gewor«
den. Nach Ablauf des Engagements in
Laibach kam sie — damals 48 Jahre alt
— in daZCarl-Theatermit einer Monats«
gage von 4o fl. ohne Spielhonorar und
Einnahme! Director Carl verstand es
eben, sich seine Millionen zu macken. Am
42. April 4849 trat sie als Pepi in
Nestroy's „Eulenspiegel" zum ersten
Male auf. Erst im dritten Jahre steigerte
sich ihr Engagement auf 1000 st. Nach
Ablauf dreier Jahre, zu Ostern 1832.
ging sie auf das Theater an der Wien
über. wo sie fünf oder sechs Jahre der
mit Recht gefeierte Liebling des Publi»
cums war und wenn sie auftrat, volle
Häuser machte. Nach dem Sturze Po»
korny's kehrte sie in das Leopoldstädter
Theater,deffen Direction damals Brauer
führte, zurück und wirkte daselbst neben
der Soubrette Fräulein Göthe. Sie
blieb auch noch unter dem kurzen Negime
Moriz Lehmann's Md. XIV, S.314,
Nr. 4^ j engagirt, zog sich aber im Jahre
4863 ganz von der Bühne zurück. Groß
ist die Zahl der Rollen, in denen sie ihr
anmuthiges Talent zur Geltung brachte.
I n allen Stücken, welche die damaligen
Localdichter zur Aufführung brachten,
war Kathi Schiller immer mit einer
Prachtrolle bedacht, aber in zwei Stücken
glänzte sie vor Allem und jeder Wiener
beeilte sich, sie in denselben zu sehen und
behielt einen unauslöschlichen Eindruck.
Die eine dieser Rollen ist die falsche
Pepita in des Localdichters Bö hm
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sax-Schimpf, Volume 29
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sax-Schimpf
- Volume
- 29
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 374
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon