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Schmerling 173 Schmerling
mit nicht geringem Eifer, aus besonderer
Vorliebe für die Sache, auch militärische
Studien getrieben hatte, wurde von dem
Grafen Hoyos, der das Obercommando
der Nationalgarde übernommen hatte,
zu seinem ersten Adjutanten erwühlt.
Aber S. sollte bald ein anderes Feld
feiner Thätigkeit zugewiesen erhalten.
Das Ministerium Ficquelmont 'Pi l«
lersdorf-Kübeck glaubte die guten
Dienste Schmerling's an einem nicht
minder wichtigen Platze nützen zu müssen
und schickte S. nach Frankfurt a. M..
um dort als Vertrauensmann der kaiser«
lichen Negierung den Berathungen über
einen deutschen Verfassungsentwurf bei«
zuwohnen. Am 4. April 1848 nahm S.
seinen Platz ein. Bald gelang es ihm,
bei seinen Collegen sich Geltung zu vec«
schaffen; er wurde beinahe in alle Aus«
schüffe gewählt, wurde häusig den Con>
ferenzen der BundesragS-Gesandten bei»
gezogen, in welchen er vornehmlich die
Anerkennung des Prasidial«Gesandten
Grafen Col loredo erwarb. I n dieser
Stellung betheiligte sich S. insbesondere
an der Ausarbeitung des sogenannten
Siebzehmr'Entwurfes und sein ganzes
Streben in Bezug auf die VerfassungS«
frage trug damals einen einheitlichen
(unitarischen) Charakter, jedenfalls aber
mit der für ihn selbstverständlichen Vor«
aussetzung, dah nicht Preußen, sondern
Oesterreich die Führerschaft in Deutsch«
land zu beanspruchen habe. Dieser Ent»
wurf behielt nur ein historisches Interesse,
denn, obgleich am 26. April der Bundes«
Versammlung überreicht, wurde er weder
von den Regierungen der National'Ver»
saminlung vorgelegt, noch aber von die«
ser selbst bei ihren späteren Berathungen
über die deutsche Verfassung in Betracht
gezogen. Als dann Graf Col loredo
seine bereits erbetene Entlassung von dem Posten des Präsidial-Gesandten bei dem
Bundestage erhalten hatte, trat S. einen
Tag nach dem Zusammentritte der con»
stituirenden Versammlung an des zurück«
tretenden Grafen Colloredo Stelle in
die Bundesversammlung (19. Mai) und-
führte noch einige Wochen hindurch den
Vorsitz in einem Collegium. daS, damals
bereits vollständiger Entkraftung Versal-
len, seiner Auflösung entgegensah. Zu
gleicher Zeit hatte aber auch die Natio«
nal'Verfammlung ihre Sitzungen be-
gonnen. I n diese war S. — nicht von
Wien. wie es an mehreren Orten heißt
— sondern von der Stadt Tulln als
Abgeordneter gewählt worden und —
war in der Bundesversammlung als in
einem in Auflösung begriffenen Körper
seine Thätigkeit eine erfolglose — in der
National'Verfammlung nahm er sofort
eine einflußreiche Stellung ein. Am 26>Mai
1848 erschien er zum ersten Male auf der
Tribüne und stand bei der Discussion
der „Mainzer Händel" entschieden auf
Seite der Preußen. Sein Antrag auf
Nebergang zur Tagesordnung erhielt die
Majorität. Die von ihm vertheidigten
Truppen der preußischen Garnison in
Mainz dankten ihm durch eine Adresse.
I n der Versammlung schloß sich S. der
Partei der constitutionellen Monarchie
an, betheiligte sich an mehreren Aus»
schüssen, nahm aber überall mit Umsicht
und Entschiedenheit die Interessen Oester-
reichs wahr. Am 28. Juni beschloß die
National-Versammlung die Einsetzung
einer provisorischen Centralgewalt mit
einem Reichsverweser an der Spitze und
die Aufhebung des Bundestages; am
29. erfolgte die Wahl des Erzherzogs
Johann zum Reichsverweser, und als
am 11. Juli der Prinz-Erzherzog in
Frankfurt eintraf, übernahm er am fol-
genden Tage die Centralgewalt und
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Volume 30
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schindler-Schmuzer
- Volume
- 30
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 398
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon