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Schmerling Schmerling
geschlagen, da richteten sich auf Einen
Mann vertrauensvoll die Blicke Aller,
welche Oesterreich eine bessere Zukunft
wünschten, und dieser eine Mann war
Schmerl ing. Ihn berief das Ver-
trauen des Monarchen, der ihn am
13. December 1860 zum Staatsminister
ernannt hatte, an die Spitze der Regie»
rung. Ihm war nun die gewaltige Auf«
gäbe geworden, die durch das Diplom
vom 20. October 1860 inaugurirte Neu«
Gestaltung Oesterreichs durchzuführen und
den Uebergang desselben zu einem con-
stitutionellen Staate zu leiten und zu
fordern. Zehn Tage nach seiner Beru-
fung. am 23. December 1860, veröffent-
lichte der Staatsminister sein Programm,
das in allen Kreisen das erwachende Ver«
trauen befestigte. Seine nächste That
waren die Staatsgrundgesetze für die
Reichs- und die Landesvertretungen vom
26. Februar 1861, eine bei den abnor-
men Verhaltnissen, in welche Oesterreich
hineinregiert worden, geradezu außer»
ordentliche That. Alles, was cr nun uer>
fügte, bastrte auf dem Grundsatze freier
Entwickelung jeder Kraft, gleicher Berech»
tigung für jede Besonderheit im neuge-
einigten, durch eine verfassungsmäßige
Grundlage gekräftigten Gesammtstaate,
welcher als Großmacht seinem Namen
entsprechend zunähst berufen ist, deutsche
Cultur nach dem Osten zu tragen. Wären
doch die einzelnen Völker dem Staats»
manne entgegengekommen, wie er ihnen
entgegenkam ! Fünfthalv Jahre bekleidete
S. die Würde des Staatsminifters, aber
die centrifugalen Elemente deS österrei'
chischen Staatskörpers, durch das Oclo-
ber'Diplom in ihren Separationsgelüsten
genährt und durch einen Staatsact be>
stärkt, ließen sich nicht einigen, und ein»
gewiegt von der Sicherheit des Friedens,
übermüthig geworden im Allesungestraft«
v. Wurzbach. biozr. Lerikon. XXX. Wedr. i geschehenlassen der Staatsgewalt, welche
glaubte, aus ihrer verfassungsmäßigen
Haltung herauszutreten, wenn sie den an
Felonie
streifenden Acten Einzelner Wider,
stand entgegensetzte, hemmten sie S. in
Allem und Jedem. Insbesondere waren es
Ungarn und Croatien. welche gegm den
Einheitsstaat, wie ihn Schmerling
construiren wollte, dm entschiedensten
offenen und heimlichen Widerstand erho-
ben. Ja, die Croaten und die anderen
Nationalitäten in Ungarn hatten damals
noch ganz andere Gedanken uon der
Zukunft Ungarns. Sie ließen eS stck gar
nicht träumen, daß es ihnen unter der
Herrschaft der Magyaren unvergleichlich
schlechter gehen könnte, als es ihnen je
unter den Deutschen gegangen. Schmer«
l ing wußte, warum er die Beschickung
deS Reichsrathes durch die Croaten mit
allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
anstrebte, daher der Haß, mit dem ihn
die Ungarn beehrten und der vielleicht
jenen noch überbot, dem einst Bach von
Seite dieser ritterlichen Nation, welche
die erste Geige im österreichischen Völker«
concerte spielen will, verfallen war. Und
so denn. als Alles stck vereinigte, die Neali»
firung deS einheitlichen Verfassungsstaates
zu vereiteln, da legte (am 27. Juli 1863)
Staatsminister S., der stch bei Annahme
dieses Postens den Rücktritt in das Amt.
das er vordem bekleidet, vorbehalten
hatte, scine Würde in die Hände Sr.
Majestät zurück und trat seinen Posten
als erster Präsident des obersten Gerichts«
Hofes wieder an, welchen er noch zur
Stunde bekleidet. Am 21. April 1867
verliehen ihm Se. Majestät die Würde
eines lebenslänglichen Mitgliedes deS
Herrenhaufes des österreichischen Reichs«
rathes, in welchem ihn der Monarch mit
ah. Handschreiben ääo. Wien 31. I5n.
ncr 1668 zum Vice-Präsidenten und mit
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Volume 30
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schindler-Schmuzer
- Volume
- 30
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 398
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon