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Schmerling 178 Schmerling
einem gleichen ääo. Meran 14. Februar
187l zum Präsidenten desselben für die
Dauer der Session ernannten. Nach Nie.
deriegung seines Amtes als Staatsmini
ster behielt derselbe nock einige Zeit di»
Stellen eines Mitgliedes im Abgeordne.
tenhause und im böhmischen Landtage,
aber auch diese letztere legte er in gerech
ter EntrĂĽstung ĂĽber die AeuĂźerungen,
welche der Regierungsvertreter bei der
Adreßdebatte im böhmischen Landtage
gemacht, nieder' und sprach diese Ursache
ĂĽber seinen RĂĽcktritt in einem an das
Präsidium des böhmischen Landtages
gerichteten Schreiben im Monat December
1863 ausdrĂĽcklich aus. Das endgiltige
Urtheil über die Politik, welche S ch m e r»
l ing in schweren Zeiten befolgt, bleibt
der Geschichte vorbehalten. DaĂź er von
seinem Eintritte in's politische Leben bis
zum gegenwärtigen Augenblicke nur hohe
geistige, immer nur die edelsten Zwecke ver>
folgt, räumen ihm selbst seine politischen
Gegner ein. und es klingt wie ein Ver<
trauensvotum, wenn einer dieser Letzteren
in boshafter Ironie bemerkt: Schmer«
l ing war der Verfasser des Hauddillets,
welches in den Märzillgen „Besitz und
Intelligenz" unter die rostigen Flinten
des Zeughauses rief. Er ist in allen
Fällen seiner politischen Ansicht treu ge<
blieben und trat lieber zurĂĽck oder lehnte
ab. ehe er dieselbe aufgab. Als er anfangs
1831 aus dem Ministerium trat — er
brachte damals seine Stelle feiner Ueber»
zeugung zum Opfer — sagte er die leider
unbeachtet gebliebenen Worte, deren tieft
Bedeutung wir heute leicht ermessen kön<
nen: „Es wäre in diesem Augenblicke ein
Leichtes, aus Oesterreich einen constitutio»
nellen Einh ei tsstaa t zu schaffen' mit
dem Absolutismus kann man einige
Jahre lang experimentiren, aber er ist
nicht zu halten, und man wird endlich^ wieder dort anfangen mĂĽssen, wo wir
jetzt aufgehört haben, die inmitten lie-
gende Zeit aber ist eine Verlorne", und
als man ihm, nachdem Graf Gotu»
chowski den Kailerstaat an die Grenze
der Auflösung hineinregiert, das Porlc»
feuille antrug, machte er seinen Minister-
antritt zunächst von dem Austritte des
Grafen abhängig. Wie kein Minister vor
ihm, anerkannte er die Aristokratie dos
Geistes; bis B a ch und Gotu chowski
— vom Vormärz kann anläßlich dieses
Punctes gar nicht die Rede sein — waren
der Intelligenz im GroĂźen und Ganzen
die Salons dcr Minister verschlossen.
Schmerl ing, die Macht deS Geiste
anerkennend, öffnete sie in Oesterreich
— der Erste — derselben und sie sind
ihr seither offen geblieben. Von ihm
kann man mit gutem Fug sagen: er war
stets ein Mann des Fortschrittes und
st in seinem Leben nur einmal zurück»
getreten — und zwar von seinem Mini'
sterposten. Daß ihm während seiner
Ministerpeuode. Alles huldigte, versteht
lich von selbst, hat sich doch, seit die
Erde steht, immer Alles der aufsteigenden
Sonne zugewendet; aber seltener ist es,
daĂź der scheidenden nicht miĂźgĂĽnstige
Blicke nachgeschickt werden. AlS S. zu«
rĂĽcktrat, gab eS keinen Jubel in Israel
und kein Aufathmen, als hätte man unter
dem Alp gelegen; man sagte es sich: er
muĂźte wohl ausscheiden, aber ein Besserer
kommt nicht, und ist auch wirklich bisher
nicht gekommen. DaĂź dem Staatsminister
alle Arten von Ehren und Huldigungen
erwiesen worden, bedarf kaum der aus-
drücklichen Erwähnung. Ehrenbürger«
Diplome von allen Seiten wurden ihm
verliehen. Das Prager SchĂĽtz.'ncorpS
hatte ihn im Mai 1863 zum Obersten
ernannt; andere Korporationen wählten
ihn, wenn er nicht bereits durch perio»
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Volume 30
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schindler-Schmuzer
- Volume
- 30
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 398
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon