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Schmerling 483 Schmerling
Act der Ueb?rzeu>iunastreue hochgehalten
worden; seine bleibende Entfernung von den
Slaatsaeschäften ließ ihn als unbetheiligt an
den Leistungen der Bach'schen Periode er»
scheinen; seine Thätigkeit im Frankfurter Par»
lomente daaegen lvar längst vernessen. und
die Deutsch«5Desterreicher jubelten am laute«
sten, als die Kunde von S ch m erling's Be.
rufuna in die Oeffentlichkeit drang. , . . Bald
N!?.ch Uebernahme seines AmteS erließ Herr
von Schmerl ing ein Rundschreiben an die
ilnn unterstehenden Behörden, welches den
Geist und Charakter seiner Negierungsweise
darlegt. I n Oesterreich hat man ihm später
den Vonvui-f gemacht, er.sei den Worten
dieses seines Schreibens untreu geworden, er
habe es unterlassen, „die berechtigte öffentliche
Meinung in sich aufzunehmen". Der Vorivurf
ist ganz ungerechtfertigt. Jenes Rundschreiben
enthält treffliche Verwaltungsmarimen; es
erinnert vielfach an dasjenige, welches Erz.
berzog Ferd inanoMar beim Antritt seiner
italienischen Statthalterschaft erließ. . . . Man
klagt jetzt, daß so wenig von dem geschehen,
wüs Schmerl ing damals in Aussicht ge>
stellt. . . . Dennoch aber galt der Name
Schmerl ing al le in als eine Bürg«
ichaft dafür, daß Oesterreich ein
Verfassun gsstaat sei und daß in Wien
eine liberale Negierum; bestehr. Selbst die
Gegner des Staatsministers im Reichsrathe
und in der Presse zitterten vor der Eventua«
lität einer Abdankung Schmerl ing's; sie
galt ihnen für gleichbedeutend mit der Um«
kehr in reanionäre Bahnen. . . . " — Eng-
lisches Urtheil ülicr Schmerling. nDkil?
As-lvs", das freisinnigste englische Journal,
charakterisirt Schmerl ing folgendermaßen:
„Da dieser Staatsmann derjenige ist, welcher
den Plan zu dem Frankfurter Zuge entwor-
fen hat. so wird es für das englische Publi,
cum von Interesse sein, das Wesen dieses
Mannes genauer kennen zu lernen. Das
Große in Schmerl ing ist wesentlich mora«
lischer Natur. Er hat nichts von den glän«
zenden geistigen Eigenschaften, welche das
Urtheil der Menge zu bestechen pflegen. Zu
vorsichtig, um in eine begeisterte Stimmung
zu gerathen, gebietet er ooch über alle die
Hilfsmittel, welche eine edle Begeisterung
Denen verschaffen, die über Andere zu regie.
ren haben. Sein Muth ist unerschütterlich,
aber obwohl er vielleicht die Gefahr liebt,
wenn sie ihm begegnet, so sucht er sie doch
nicht auf. Er ist vorzugsweise ein zuverlässi« ger Minister. Das Charakteristische in ihm
ist seine Fähigkeit für das Wichtige und
Große, während er die kleinen Einzelnheiten
vernachlässigt. Schmerling ist ein? stolze,
trotzige Natur; waltete nicht dabei eine echte
Herzensgüte in ihm. so würde seine Verach»
tung aller Willensschwäche ihn hart erscheinen
lassen; er zeigt sich aber nur ungeduldig über
Kleinlichkeiten jeder Art. Sein ernstes und
strenges Wesen machen seine Erscheinung für
die größere Anzahl der ihm Nahenden nicht
zu einer anziehenden, aber der Instinct leitet
die Massen richtig und wendet ihm ihre Sym<
pathien Zu, obschon sie ihn nicht näher kennen.
Schmerling ist ein verständiger Liberaler,
im englischen Sinne des Wortes, nicht ein
Demokrat nach dem neuesten französischen
Muster. Er wird siä> stets jeder revolutionären
Nichtung widersetzen, aber die Absolutisten
betrachten ihn trotzdem als einen Revolutio,
när. Im Jahre l848 stand er der qanzeri
Wuth der Frankfurter Demagogie gegenüber
uno mit Entschlossenheit warf er sie nieder;
aber 1832 entsagte er seiner Stellung als
Iustizminister. da ihm das Schwarzenberg'sche
System als unconstitutionell zuwider wurde.
Schmerling ist zu fest, um jemals gewalt»
thäiig oder verstockt zu sein. Er ist ein die
Staatsgewalt nicht comprumittirenoer Libera»
ler, gerade weil sein politischer Verstand ihm
sagt. daß alles erfolgreiche Negieren auf recht-
zeitigen Compromissrn beruht. Dieß ist so
wahr. daß alle Diejenigen, welche ihn voll«
ständig kennen. überzeugt sind, daß er allein
der Mann ist, mit welchem eines Tages die
Ungarn unterhandeln werden. — Das Vor«
gehen in der deutschen Politik ist Schmer«
ling'sW'.rk; Graf Rechber« hat
sich zuletzt
auf seine Seite gestellt, aber es dauerte ziem«
lich lange, bis er dazu gebracht wurde, an
die Ausführbarkeit des Planes zu glauben.
Schmerl ing ist für Oesterreich der Mann
vor allen Männern, denn er ist der Mann
der That und der Initiative — ein. Mann,
der, einmal entschlossen, auch sofort handelt.
Er ist sehr beredt, wenn eS unbedingt noth«
wendig ist, zu sprechen, aber er liebt das
Sprechen nicht. Sein Wahlspruch ist: Gro«
ßeö zu thun, mag schwierig sein,
aber die Schwierigkeit hindert das
' Große nicht."
III. Porträte. 4) Unterschrift: Anton Ritter von
Schmerling, t. k. Geh.«Rath und Staats«
minister. Car l Mayer Nbg. (32") s^uch
im Gothaischen Hofkalender). — 2) Unter«
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Volume 30
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schindler-Schmuzer
- Volume
- 30
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 398
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon