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Schubert) Franz 48 Schubert) Franz
mittelnde Reflexion, solchem Fluge zu
folgen vermag. Die Bearbeitung solcher
Poesien ist nur erklärbar aus der Eigen«
thümlichkeit des Komponisten, jedes Ge-
dicht, das ihn berührt, auch musikalisch
zu reproduciren. Sehr eng mit dem in
den Balladen angeschlagenen Ton hän-
gen mehrere Kompositionen zusammen,
die. obgleich in der ausgeführten Lied»
form abgefaßt, dramatisch zu wirken be«
stimmt sind. ebenso einzelne dramatische
Scenen. I n diesem Sinne behandelt er
Goethe's: „Kennst du das Land" und
die Scene Gretcbens in der Kirche. Auch
enthält die erste Lieferung des Nachlasses
ein ausgeführtes schilderndes Lied: „Die
Nacht", das in seiner dramatischen Fär»
bung von außerordentlicher Wirkung ist.
Hier bilden das lebendige, charaktervolle
Recitativ, die idyllische Naturschilderung,
die kräftige Haltung des Häuptlings, der
Aufgang der Sonne, das Iagdleben, die
anziehendsten Effecte, die durch eine geift>
reiche und geschickte Vertheilung der Ge>
sang«, und Instrumentalmittel den Weg
anzudeuten scheinen, welchen Schub ert
in den Cyklen verfolgt. Nach diesen bei«
den Richtungen unterscheiden wir eine
Uebergangsstufe, aus welcher S ch u-
bert's Talent sich oft mit Gewalt zur
Charakteristik herausarbeitet, theils in
die älteren Formen» und AusdruckSwei«
sen wieder zurückfallend, theils einen ganz
neuen Weg einschlagend. ES bedürfte
hierzu eigenthümlicher Anregungen, die er
in der vorhandenen deutschen Lyrik nicht
zu finden vermochte und die ihn hinaus»
trieben auf ferner liegende Gebiete, welche
seine Phantasie gewissermaßen frappirten.
Auf dieser Uebergangsstufe wandte sich
Schubert zur antiken Poesie, in die
Regionen nordischer Wildheit und in das
duftig-üppige. schattende Laub orientali«
scher Träume. Wir erwähnen zunächst der „Gruppe aus dem Tartarus" sOp. 24),
des „Zwergs" (0x. 22). der „Anakreon.
tischen Lieder" (0p. 36). Hier, wie in
der Lieferung 19 des Nachlasses, im«
„OrpheuS", spiegelt sich daS antike Kunst«
element mit romantischem Beisahe groß«
artig ab und versetzt fast in die Zeit deS
Alterthums. Er ist aber seinem ganzen
Wesen nach Romantiker und so tragen
auch seine Anschauungen der antiken Ge«
fühlswelt dieses Gepräge, bei aller Ruhe
immer noch eine wehmüthige Färbung.
Wir erinnern an „Hippolyt'S Lied" in der
7. und. an „Orpheus" in der 19. Liefe«
rung des Nachlasses. Freier, weil der
christlichen Anschauung naher, ergeht sich
Schubert in den wilden, stürmischen
Empfindungen eineS Osfian. Man ver»
gleiche im Nachlasse die 4. und 3. Liefe«
rung: „NormannS Gesang" in Op. 32
und die sieben Lieder aus Walter
Scott 'S „Fräulein vom See". Hier
bringt er alle Kunst des Rhythmus und
harmonischer Sequenzen in Bewegung
und man findet sich unwillkürlich in daS
nordische FelSgeklüfte verseht. Nach einer
andern Seite hin fühlt man die Schwüle
und die vollsaftige Natur deS Orients
dem Componisten nach, wenn er (Ox. 14
u. 34) „Suleika's Gesang" ertönen läßt.
Nachdem Schubert diese llebergangS»
stufen verlassen hatte, gelangte er zur wirk-
lichen Charakteristik, die bei ihm, wie be«
reits bemerkt worden, als lyrische Situa»
tion erscheint. I n die Reihe dieser Erzeug»
Nisse gehören „Der Wanderer" (0x. 65),
„DieForelle" (0p. 32), „ImWalde" und
„Auf der Brücke" (0p. 93), „Die beiden
Standchen". „Die Abendbilder", „Der zur«
nendeBarde", „Am See", „Wiedersehen"
(13. Lieferung im Nachlasse), „Erlkönig"
(0r>4) und manches Andere. Als'vollstan.
dig abgerundet und als Ausdruck seines
eigenthümlichen Wesens müssen wir die
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schrötter-Schwicker, Volume 32
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schrötter-Schwicker
- Volume
- 32
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1876
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 406
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon