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Schuh 438 Schuh
Seelen, die eine zog ihn zur Violine, die
andere zur Lancette. Virtuosenthum und
Fachgelehrsamkcit — beides ließ sich
schwer vereinen, aber zu beiden fühlte er
ein gleich mächtiges, gleich unwidersteh«
liches Drängen. Da übernahm die end«
liche Entscheidung ein Anderer für ihn.
Eines Tages hatte S., der bereits die
Doctorwürde erlangt, in einem Concerte
mitgewirkt und einen Sturm von Beifall
hervorgerufen, Tags darauf saß er auf
der harten Bank im kaiserlichen Opera«
tions'Institute und hörte seinen Namen
aufrufen, um an den Operationstisch zu
treten. Rasch stand er vor dem Cadaver
und griff nach dem Werkzeuge. Allein
ein schallendes Halt! seines Lehrers, Ba«
ron Wat tmann . wehrte es ihm. „Jetzt
entscheiden Sie sich", sprach der ihn lie«
bende, stets bevorzugende Meister, „ent«
weder Sie entsagen dem Fidelbogen oder
der Lancette für immer!" Schuh, unter
dem Eindrucke des ernst würdevollen
Anblickes seines Lehrers, theils von der
eigenen inneren Stimme geleitet, wählte
die Wissenschaft, entsagte der Geige —
ohne sie jedoch ganz zu vernachlässigen
— und wurde ein Virtuose — der 3an«
cette. Als klinischer Assistent des Barons
Wattmann und Secundararzt bildete
sich S. zum Operateur aus. und nach»
dem er mehrere Jahre als solcher an
seines Meisters Seite thätig gewesen, er«
langte er im Jahre 4836 eine Professur
an der chirurgischen Akademie in Salz«
bürg, an der er jedoch nicht das Fach,
für das er sich ausgebildet, sondern
die Vorbereitungswissenschaften Botanik.
Physik und Chemie vortragen soll. sVor-
märzliches Unterrichtssystem, nicht daS zu
lehren, waS man verstand, sondern das,
wovon man keine oder nur sehr ober-
fiächliche Kenntnisse besaßt Schon nach
kurzer Zeit, 1837. wurde Dr. Schuh nach Wien zurückberufen, und zwar als
Primar«Wundarzt im allgemeinen Kran»
kenhause. Im Jahre 1841 wurde er zum
außerordentlichen, im folgenden zum
ordentlichen Professor der Chirurgie, im
Jahre 1843 zum Vorstande deS Opera«
teur-Institutes ernannt. Damit schließt
die amtliche Laufbahn deS großen Chi«
rurgen ab. Einer seiner Biographen
schreibt auö diesem Anlasse, „er war mit
keinem österreichischen Orden decorirt, in
der kaiserlichen Akademie der Wissen«
schaften hatte der Schöpfer der neuen
Chirurgie in Oesterreich, der große Mit«
kampfer Rokitansky's und Skoda's
in der Begründung der neuen Wiener
Schule, keinen Platz gefunden". Erst über
Einschreiten seiner bedeutendsten Schüler
wurde er 1860 mit dem Titel eines Re«
gierungsrathes überrascht. Aber der Arzt,
der Gelehrte hatten mit diesem Titel
nicht abgeschlossen, in beiden Stellungen
war S< mit der Zeit fortgeschritten und
hatte sich jenen Namen erworben, der
ihm in der Wissenschaft unter allen Um«
ständen vorbehalten bleibt. Sowohl in
diagnostischer als operativer Hinsicht hat
Schuh Großes in seiner Wissenschaft
geleistet. Durch seine von einer Seite
verpönten und doch im Interesse der
Wissenschaft nicht zu beseitigenden Vivi«
sectionen, indem er Tausende von Kanin«
chen eigens aufziehen und mästen ließ,
um sie unter seinem Seccirmesser zum
Studium seiner Wissenschaft zu machen,
hat er in derselben erhebliche Eroberun«
gen gemacht, dieser Grausamkeit des
Forschers verdankt sein Fach unschätzbare
Erfahrungen über Brustkrankheiten, über
„Die Paracenthese beim Empyem", wie
die Gelehrten sagen, und die Erfindung
eineS eigenen Apparates zur Verhütung
des Luftzutrittes an die kranken Brust«
organe und manche andere Bereicherun«
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schrötter-Schwicker, Volume 32
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schrötter-Schwicker
- Volume
- 32
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1876
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 406
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon