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Schwind) Moriz Schwind^ Moriz
oon innen heraus zu organisiren. Seine
.Figuren weisen vielfach leere und todte Siel«
len auf, ihre Bewegung ist nicht selten unver.
standen, steif und puppenhaft. Nach seiner
Begabung fast ganz auf die Zeichnung an>
aewiesen, ist er doch weit davon entfernt, in
ihr ein Meister zu sein. Es steckt eine lieb.
.liche, aber kleine Seele in seiner Linie, eine
Seele, die im verjüngten Maßstabe reizend
wirken kann, aber nicht ausreichend ist für
-größere Dimensionen. Es kommt vor, daß
in seinen Compositionen ein Rhythmus voll
.Wohllaut wohnt, aber mehr musikalisch an»
gedeutet, als künstlerisch durchgeführt. Ma.
lerischen Sinn für Naum besitzt er nur we.
nig, seine Figuren stehen nicht im Medium
.der Luft, sie scheinen ja blos auf die Fläche
geklebt zu sein. Dieser Mangel hängt auf's
Innigste mit seinem geringen Farbensinne zu«
Wammen; mehr davon besitzt er nicht, als ein
gewisses Auge für Farbenharmonie im All»
gemeinen. Die Farbe zum Ton zu steigern,
ist ihm nie gelungen. Licht und Schatten
stehen bei ihm meistens als abstracte Gegen,
sätze; das Licht im Schatten, der Schatten
ün Lichte, kurz die geheimnisvoll schimmern»
den Spiele dos Helldunkels sind ihm ein ver«
schlossenes Mysterium. Mit der Oelfarbe
weiß er daher wenig zu machen, fie fließt
^hm zäh und trüb. Im Gefühle seiner colo«
i^stischen Schwäche hat er immer wieder nach
der Wasserfarbe gegriffen, aber wieder nicht,
^lm ihr die coloristischen Reize abzugewinnen,
die auch in ihr schlummern, sondern nur um
<in leichtflüssiges Mittel zu haben, um über
Heine Darstellungen einen gewissen farbigen
Schein zu verbreiten. Die Farben haften
bei ihm an den Dingen, sie erblühen nicht
>an ihnen. Wohl wendet man gegen diese
Bemerkungen vielleicht ein, Schwind sei
ein Stilist gewesen, bei dem die Farbe noth»
rvendigerweise zurücktrete. Schwind ein
Stillst — es klingt gut und entschuldigend,
a»ber es ist nicht ganz wahr. Dab Stilistische
an seiner Kulist ist ihm mehr angeflogen, als
von innen erwachsen- Er war nicht der tief
angelegte künstlerische Genius, der einen Stil,
als den nothwendigen Ausdruck seiner Eigen»
tlMMlichkeit, aus sich hätte gebären können."
^Ich glaubte gegenüber den Stimmen eines
Cornel ius, Kaulbach, I l l e , Dr. Hol<
land. v. Zahn, Pecht und E. Förster,
auch diese eines Wiener Kritikers und die
vorige der „Grenzboten", letztere doch nur,
tveil Schwind über die Stelle, „daß die Grazien wohl schwerlich jemals auf seiner
Palette gesessen", geradezu und mit Recht er«
zürnt war. hersehen zu müssen, leuchtet doch
das Licht um so beller, wo daneben tiefer
Schatten uns abkühlt,) — Mai l l inger
schreibt übrr Schwind: „Leider hat König
Ludwig Einen nicht reichlich beschäftigt,
rvie wir es wünschten, — Einen, der cs vor
Allen verdiente, daß seine besten und unver»
gänglichen Werke in Münchens Ruhmestem«
ptl prangten, und dieser Eine ist — Moriz
von Schwind. Wir besitzen zwar frühere
Arbeiten seiner Hand in der Residenz, welche
seine künftige Glöße ahnen lassen,- allein
jener anmuthigen, ächt deutschen Gedichte,
welche der Meister auf der Höhe seiner Voll«
enoung. zum Entzücken der deutschen Nation
geschaffen, hat München keines. Deßhalb
habe ich (Maillinger) mit allen Kräften da»
hin gestrebt, ein so vollständig als mögliches
Vild von der gigantischen SchassungSkraft
des Meisters in meiner Sammlung Zu aeben;
es ist bei weitem nicht vollständig, aber ich
that. was ich mit meinen schwachen Kräften
vermochte. Schwind hat so manche Zeich«
nung gefertigt, welche anRaphael's sichere
Hand hinaufreicht; — Schwind hat illu«
strirt, wie- skit Dürer kein Anderer, rvir er«
innern an den „ErzherzogKarl"; — Schwind
hat einzelne Bal laden gedichtet, wie
z. B. „Dir Musikanten und „Die Rosen
spendende Jungfrau", deren ein Göthe sich
nicht schämen durfte; — Schwind hat uns
Mährchen erzählt, wie sie uns nicht lieb«
licher erklangen. da wir als Kinder sie dem
Munde der Mutter abgelauscht; Schwind
war Humorist, wer kennt nicht in den
„Bilderbogen" und in den „Fliegenden Blät.
tern seine launigen Einfälle, deren innerster
Kern stets eine sittliche Idee ist; —Schwind
war ein Mann des Kunstge werbeS, für
welches er seine Pokale. Pfeifenköpfe u. s. w.
Formen erfand, die bezüglich graziösen Baues
und Ornamentreichthums ihres Gleichen su«
chen; — Schwind war schließlich ein H i«
storiker, er hat mit unvergänglichen Iügen
das Leben seiner geschichtlich bedeutenden
Freunde (3 achner,Hehenecker,Bauern»
felo u. s. w.) geschildert. Uneingeweihte
mögen ja nicht glauben, daß wir hier zu viel
behaupten, wir sagen nur die lautere- Wahr«
heit und beweisen sie. Hat nun auch König
Ludwig keines der großen WerkeS ch w ind'S
für München erworben, so ist das einigermaßen
dadurch zu erklären, daß Schwind auf den
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon