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Schwind) Moriz 187 Schwind, Moriz
Anregungen, welche seiner innersten Natur
entsprachen. Die idealen Typen aber, für
das Element der weiblichen Schönheit, dessen
Maler er in erster Linie werden sollte, fand
er weder in der Antike noch in der Kunst
des Mittelalters, sondern in der Natur, und
zwar nicht in den schönen Landmädchen der
Sabinergebirge und römischen Modellen, son,
dern in der gebildeten deutschen „Gesellschaft",
der er selbst durch Geburt und Lebensführung
angehörte und für deren Aeußerung er zuerst ein
malerisches Auge hatte. Nach dem Pompe des
Reifrockes und Pudercostums und ihrem er«
tremen Gegentheile, der bedenklichen, revolu.
tionär antikisirenden Natürlichkeit und einem
kurzen vergeblichen Versuche zu deutschthümeln.
der Romantik, hatte sich in der Erschei«
nung der deutschen Frauenwelt die Herrschaft
äußerst geschmackloser Kleidermoden. aber zu«
gleich die neue, eigentlich moderne Eleganz
der äußeren Erscheinung des Sich.GeHabens
und der Haltung ausgebildet, die unsere Cul<
turepoche bezeichnet und Schwind hat nicht
erst in der von ihm sogenannten „Modernen
Zeichnung" (der Symphonie), sondern von
Jugend auf diesen Reizen seine künstlerische
Huldigung dargebracht. Die Damengruppe
im „Nitter Kurt" ist. bis in die Bewegungen
der behandschuhten Finger, graziös im mo<
dernen Sinne — und so bleiben seine weid«
lichen Figuren bis zur „schönen Melusine"
künstlerische Gestaltungen der Typen, deren
ästhetischen Reiz der Künstler in seiner leben»
den Umgebung empfand. . . Wen berührte es
nicht wohlthuend, diese anmuthig.cn. sittlichen,
gemüthvollen und liebenswerthen Gestalten,
deren Anblick und Umgang im Leben erfreuen
und beglücken würde, im Bilde wiederzufin.
den. Statt der Göttinen, Heroinen oder
nonnenhaften heiligen Frauen und naiven
Landmädchen der italienischen Schulen, be>
wegen sich hier in Formen uon rhythmischem
Wohllaute Erscheinungen, die den empfang«
lichen Beschauer (den gebildeten Deutschen
und nur Diesen) wie die erfreulichsten Erinne»
rungen an eigene Erlebnisse und Begegnungen
berühren. Auf die, dem modernen Menschen
so naheliegende Frage: Wenn diese Gestalten
lebendig würden, was hätte man an ihnen?
(Burkhard's Vorwurf gegen Correggio)
gaben wohl niemals Kunstwerke den Zeit<
genossen so befriedigende Antwort, wie
Sch Wind's „Frauen und Jungfrauen".
Indem Herr von Zahn weiterS in geistvoller
Weise darthut, wie Schwindauch die Land, schaft .immer zu einem bedeutsamen, oft zum
anziehendsten Theile seiner Compositionen
gestaltet", wie er ferner die architektonische
Umgebung mit ebensoviel Stylgefühl, als
echt malerischer Phantasie behandelt, schreibt
Zahn weiter, indem er versucht, Schwind's
Styl zu charakterisiren.- „Fassen wir die vor<
stehenden Andeutungen über das Typische in
Schwind's Styl zusammen, so dürfen wir
die Charakteristik desselben „als Verbindung
von Dürer , Raphael und Antike" da»
hin ergänzen, daß der Meister gleich seinen
Zeitgenossen allerdings unter dem Eindrucke
dieser drei großen künstlerischen Erscheinungen
der Vergangenheit steht; dah aber das Ele»
ment seiner eigenthümlichen Formensprache,
im Gegensatze zur plastischen Durchbildung
der Gestalten, auf der „Stilisirung in der
Flache beruht, für welche ihm die heraldische
Behandlung der Figuren von Wand» und
Glasgemälden des romanischen und früh»
gothischen Mittelalters mehr formale An<
regung bot. als die Malerei der deutschen
oder italienischen Renaissance." Noch gibt
Herr von Zahn eingehende Bemerkungen
übrr das von so Vielen beanständete Colorit
Schwind's, die manches Treffende enthal<
ten. wenngleich der Schluß dieser Schwi no'»
schen Charakteristik denn doch ein Kopf»
schütteln hervorrufen mag. Dieser Schluß
aber lautet: „Ueberhaupt darf beim Rück.
blicke auf die Gesammtheit des Schwind',
schen Schaffens, nicht nur mit der leichten
Wendung oom schlafenden Homer darüber
hinweggegangen werden, daß das heilige
Feuer des goldenen Wahlspruchs „Als ich
kann" nicht so in ihm brannte.' wie bei den
besten seiner deutschen Zeitgenossen, in denen
wir die Träger der.Erneuerung der Kunst
verehren. Reicher begabt und leichteren
Sinnes als Andere, durfte er sich fast immer
auf den ersten glücklichen Wurf verlassen, aber
nur zu oft empfinden wir. daß er nicht sein
Bestes gegeben"- Wie sollen wir diesen
Schluß mit der Thatsache vereinbaren, daß
Schwind eben nichts weniger als auf den
„ersten «lücklichen Wurf" sich verlassend —
seine herrlichsten Gestalten seiner schönsten
Schöpferjahre jahrzehndelang im Kopfe
herumgetragen und sie immer wieder gemalt
.habe, wie dieß mit seinem „Ritter Kurt",
seinem „Aschenbrödel", seinen „sieben Raben"
ja mit seiner ^Melusine" und mit noch an»
deren der reizendsten Gestalten, denen wir
wiederholt auf seinen Bildern begegnen, der
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon