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Hechter. Eiinon 234 Sechter^ Simon
kung, Lange i:nd 5^ütze, nach allen Ge
selben der nuisikalischen Deklamation di
unerwartetsten Notengruppen herdeizu-
zaubern. Es bildete sich darans von selbst
eine Art musikalisches Tagebuch, in dem
Scherz und Ernst sich wunderlich kreuzen.
Die beigefügten Daten zeigen auch, daß
der Meister öfter eine wichtige Tagesbe>
gebenheit, eimn ErinncrungStag zum
Grunde des Thema legte. Ein Fuge
aber mußte daraus weiden, denn „Nie
olme dieses!", wie eine der Ueberschriften
sagt. Bekannte er sich doch selbst zu der
Ansicht: „Auch ein Wäschzettel kann zu
einer neuen Composition dienen". Nichts,
was er sah und hörte, war sicher vor ihm.
Spielereien mit Wörtern und ihre Wieder
gäbe in Noten. z. B. Cassa. Haß, Ab
gäbe, Es geschehe. Ade, Bagdad. Affe,
Baggesen, Back. Fesca 2c., dienten nur
a!2 bescheidene Abwechslung. Ueberall
witterte er eine Gegenstimme, denn „der
Contrapunct besteht nickt allein in der
Musik, sondern zwischen Lehrer und
Schüler, zwischen Herr und Diener,
zwischen Mann und Frau, überall heißt
es: vertraglich sein." — Selbst am
Sarge der Gattin sucht sein Herz Trost
in einer Fuge: „Allsgelitten hat sie, die
sanfte und geduldige Frau, nun wird
ihre Geduld belohnt." Schweres mußte
ihm im Jahre 1863 widerfahren sein.
Ausrufungen, die in seinem Tagebuche
stehen, weisen nach, wie er ein mißbrauch»
teS Opfer seiner Gutmüthigkeit geworden
und nun im hohen Alter eine harte
Prüfungszeit durchzukämpfen hatte. Die
Erbärmlichkeit Jener, welche das Ver«
trauen und die Herzensgute des Greises
in so schändlicher Weise mißbraucht,
schändet sich selbst. Der arme Sechter
litt schwer an dieser an ihm verübten
Schandthat. Im Jahre 1867 fing E.
bedenklich zu kränkeln an, er mußte sogar mit seinen ihm so lieb gewordenen Fngen
aussetzen. Doch siegle dießmal noch die
Lebenskraft, und in schlichten innigen
Worten feierte er den 13. Jänner: „Wie
Derjenige, der lange nicht bei seiner Ge»
liebten war. sick nach ihr schnt, so sehnen
wir uns nach der Fuge." Aber die Freude
war von kurzer Daner; wieder erkrankte
er und dießmal gewann die Krankheit die
Oderhand. Der Meister fühlte, daß es zu
Ende gehe. Noch einmal, am 20. Avril.
führt die welke Hand die Feder und dient
zum Ausdrucke frommer Ergebenheit:
«Wie Christus von dem Tode erstanden
ist, so hoffen auch wir vom Tode zum
Leben überzugehen'." Es war die letzte,
die Schlußfuge! Noch eine kurze Spanne
Zeit und der größte Theoretiker, den
Oesterreich seit Fux besessen, hauchte
am 10. September seinen müden Geist
aus. Sechter, der als Witwer starb,
hinterließ einen Sohn und eine verhei»
rathete Tochter, welche ihm von' achr
Kindern geblieben waren. Dem feierlichen
Leichenbegängnisse im St. Stephansdome
wohnten zahlreiche ehemalige Collegen,
Schüler und Freunde deS Verblichenen
bei; ebenso seiner Gedäcktnißfeier am
16. September, wobei unter Gottfried
Preyer's Leitung des Verblichenen Re«
quiem in würdiger Weise aufgeführt
wurde. Sechter starb arm wie ein
Bettler. Der Mann. dessen ganzes Leben
eine ununterbrochene Kelte uon Arbeit
gewesen, war um sein Hab und Gut ge»
kommen und mußte als fast 80jär)riger
Greis darben. Vermögen, Effecten.
Orden, goldene Medaillen, ja selbst Uni«
'orm und Degen (womit zum Schmucke
der Leichenfeier eine treue Freundeshand
aushelfen mußte!) Alles hatte jenes Jahr
1863 verschlungen, dessen oben gedackt
wurde. Und plumpe Tactlosigkeir ging
0 weit. für den k. k. Hoforganisten öffent»
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon