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) Joseph 283
nächst für den Ausbruch der 48ger Revo-
lution verantwortlich machen, ja es gab
Phantasten, die ihm allein alle Schuld
zuschrieben. Solcher Blödsinn richtet sich
selbst. Das System des äiviäe 6t im-
psra, mit allen seinen Haken und
Widerhaken. hat sich nicht länger
tragen und ertragen lassen; die Censur»
Plackereien haben die Katastrophe nur
beschleunigt. Ist es denn nach dem er«
rungenen Siege der freien Presse wirk-
lich besser und leichter geworden? Die Art
wie der Graf von seiner Macdt Gebrauch
gemacht, darüber geben die in den Quellen
angeführten Aufsätze entsprechenden und
manchmal genug ergötzlichen Aufschluß,
in der That ist auch die Geschichte der
Censur indendreiIahrzchnden vor 1848
eine unerschöpfliche Quelle für Heiterkeit
und derbe Ergötzlichkeit. Man hat den
Grafen S. der Unwissenheit, ja Bornirt-
heit geziehen und ihm nachgesagt, daß er
auf der Universität durch bequeme Ruhe
und vornehme Gleichgiltigkeit gegen die
Wissenschaften sich bemerkbar gemacht
habe. Das ist ein Irrthum; im Gegen«
theile der Graf war ein ungewöhnlich
gut und vielseitig unterrichteter Mann.
I n den Staatsdienst getreten, hieß es, sei
er, von einer unselbstständigen Gefügig»
keit des Verstandes begünstigt, alle
Sprossen der Beamtenleiter rasch empor»
gestiegen, wobei die Unterstützung seines
Bruders Leopold, der Bischof in Bres-
lau war. wesentlich mitgewirkt haben
soll. Die Ansicht, daß der Bisckof von
Breslau, deS Grafen Bruder, an dem
raschen Emporkommen des Grafen
Joseph wesentlichen Antheil habe, ist
ganz unrichtig. Graf Joseph war im
Jahre 1813 schon Vice- und 1817 Prä-
sident der obersten Polizei» und Censur-
Hofstelle, während Graf Leopold da> !
mals erst Capitular in Breslau war. ^ ) Joseph
iß ist es, daß der Graf in maß-
gebenden Kreisen eine psrLona ^rata
war und blieb, trotz aller Klagen und
Beschwerden, welche sich gegen die öfter«
reichische Polizei erhoben, und wie sehr
begründet sie auch gewesen sein moci>
ten. Daß im Inlande keine Angriffe
gegen dieses Gebaren vorkamen, erklärt
sich durch die Macht der Censur. deren
Alleingebieter er war. von selbst. Dafür
wurde er in der auswärtigen Presse
auf das Heftigste angegriffen und so
groß seine Macht, ja sein Einfluß war,
dagegen konnte er nickts auswirken,
daß der bekannte Humorist und Schrift-
steller E. M. Oett inger in seinem in
Leipzig erscheinenden ^Charivari" meh-
rere Jahre hindurch am Schlüsse des
Blattes die Notiz brachte: «Graf Sed l-
nitzky ist noch immer Präsident der
Polizei- und Censur»Hofstelle in Wien."
Schon diese stehende
Rubrik hätte, nach»
dem sie nicht Wochen, nicht Monate,
sondern Jahre hindurch sich immer
wiederholte, in jedem anderen vernünftig
regierten Lande wenigstens Bedenken er»
regen und Veranlassung geben müssen,
die Ursachen einer so aufdringlichen
Phrase einer strengen und sorgfaltigen
Prüfung zu unterziehen; nichts von
alledem. Der „Charivari" behielt gegen
seine Absicht Recht: Graf Sedlnitzky
blieb Präsident der Polizei« und Cen«
>ur-hofstelle in Wien. Der Graf selbst
war über diese stereotype Phrase nichts
weniger denn erbaut und alle Be-
mühungen des österreichischen General-
Consuls in Leipzig, die Beseitigung
derselben im „Charivari" zu erwirken,
blieben erfolglos. In Wien selbst, leicht«
lebig wie man war, blieb man, so
lange Saphi r alle Woche seine Por<
tion Witze, so abgestanden und fade sie
oft waren, servirte. und so lange Bau erle
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon