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Sedlnihky, Leopold 298 Sedlnitzky, Leopold
nichtsdestoweniger äußerte er den Wunsch,
der Bischof möc;e seine Resignation zu«
rücknehmen. Als der Graf darauf ent-
gegnete, daß. wenn er sein Amt nicht
freiwillig niederlege, die Regierimg mit
Rom in die widrigsten Kampfe verwickelt
werden würde, erklärte der König, daß
er diesen Kampf nicht scheue, auch könne
bei der vorgeschrittenen geistigen Bildung
beider Kirchen ein solcher Kampf nur uon
kurier Dalier sein. Nur hierin hatte der
Köniq nickt riä'tig gesehen. Seit jenem
Conflicte dauert der lange früher begon»
nene Kampf immer noch fort und statt ab»
zunehmen, scheint er heftiger und Verderb»
licher zu werden. Erst auf wiederholte
Bitten und Vorstellungen des Fürst-
bischofs genehmigte der König dessen
Amtsniederlegung. Nacvdem die Refig-
Nation angenommen war, ernannte der
König den Fürstbischof zu seinem wirk»
lichen geheimen Rathe, mit der Verpflich>
tunZ, den Aufenthalt in seiner Nähe zu
nehmen. So restgnirteGrafSedlnitz ky
ohne sich irgend eine Competenz vorzu-
behalten, auf sein Visihum und siedelte
nach Berlin über. Denen, die durch sei-
nen Abgang von Breklcm gelitten, ge-
währie er Pensionen. In Berlin lebte
er <ehr still und zurückgezogen. Aus sei-
nen Ersparnissen sammelte er einen Fonds
für Gründung des „PaulinumS" und
„Iohanneums". Das Paulinum ist eine
von dem Bischöfe ^862 gestiftete und
reich dotirte Pensionsanstalt für unbe-
mitreite Gymnasiasten unter Aufsicht eines
classisch gebildeten, uecheiralheien In-
spectors und eineS Adjuncten. Auf diese
Weise ist den Zöglingen zugleich ein
freundliches Familienleben und Förde-
rung in ihren Studien geboten. Die
Anstalt ist für evangelische Zöglinge be»
stimmt. Dann stiftete der Graf im Jahre
das „Iohanneum". Zu diesem Zwecke kaufte er in der Nähe der Ber-
liner Universität ein Haus und richtete
es zu Wohnungen für etliche zwanzig
Studirende der evangelischen Theologie
ein. Er sorgte nun dafür, daß die Stu»
denten in einem gemeinschaftlichen Speise»
und Musiksaale billige und gute Ver»
pflegung und kameradschaftliche Gesellig,
keit finden. Drei Professoren auS der
theologischen, philosophischen und juri.
stischen Facultat und ein Geistlicher füh»
ren die Aufsicht über daS Iohanneum,
doch in einer Weise, daß der dort Aufge«
nommene in seiner akademischen Freiheit
nicht allzusehr beschränkt werde. Neben
diesen beiden von ihm gegründeten An»
stalten übte der Graf Wohlthätigkeit im
ausgedehntesten Maße. Arme und Kranke
unterstützte er auf das Ergiebigste. Ge>
meinnützigen Vereinen. den Typhus«
Waisen in Schlesien brachte er reiche
Opfer. Seiner Bürgerpflicht ist er stets
nach seiner Ueberzeugung treu geblieben.
Noch am 6. März I87l, wenige Wochen
vor seinem Tode, trat der 84jährige
Greis zur Wahlurne. Lange war man
im Ungewissen, ob er noch Katholik sei.
oder zum evangelischen Glauben über-
getreten sei. Erst ein Schreiben, welches
sein Nachfolger auf dem Bischofssitze von
BreSlau auS am 17. Februar 4863 an
den Grafen richtete, worin er die Frage
an ihn stellte, ob er noch ein Glied der
katholischen Kircke sei. erwiederte der
Graf, „daß er nach einer langen, reiflichen
Ueberlegung sich von dem hohen Werthe
des evangelischen Glaubens überzeugt
hatte und diesem gemäß sich in seinem
Gewissen gedrungen fühlte, denselben Hu
bekennen und sich der Gemeinschaft der
evangelischen Kirche anzuschließen." Die-
ser Uebertritt aber war am 42. April
1863 in aller Sülle und ohne alle For-
malitäten erfolgt, indem er einfach und
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon