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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
Page - 349 -
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Page - 349 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Schwarzenberg-Seidl, Volume 33

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Seidl. Johann Gabriel 349 Seid!., Johann Gabriel schein, wenn man EineS ausspricht, denkt man unwillkürlich auch an das Andere. Es mag wohl sonderbar scheinen, daß ein Dia> ter. und ein so junger Dichter wie S., einen solchen Einfluß auf die Poesie einer ganzen Schule gewinnen konnte, und noch dazu ein Dichter, der seit Jahren mit nichts Grö» ßerem hervorgetreten ist, der entfernt von der Hauptstadt, von dem Sammelplatze der Literaten lebt, und nur einige kleine Gedichte in Zeitschriften sendet und zwei unbedeutende Almanache. Buchhändlrrspeclilationrn ohne innerrn Gehalt, redigict Und doch einen fol» chen Einfluß! Nehiltt die Permcken ab Phi. lister, vielleicht begreift ihr's dann. wenn euer Schädel etwas weniger belegt ist. — Habt ihr eine Idee von dem Einsehen in die Gemüths» welt eines Volkes, von dem Erfassen aller jener zarten, leiseklingenden Saiten, welche der Urgrund einer volksthümlichen Poesie sind? Denkt euch nur einen Menschen, der den Ideentrcis, die Gemüthstöne seines Volkes so in sich aufgenommen, daß sich beide iden» tisiciren, stellt euch dieses recht deutlich vor, nieine lieben Philister, und seid versichert, daß ihr dann das Problem gelost habt. wieso S. solch' bedeutenden Einfluß auf die österreichische lyrische Poesie gewonnen. Der Charakter des Oesterreichers ist der Charakter semer Poesie, bald oberflächliche Lebensan» schauung, bald wieder tiefes, sinniges Gemüth, nur an hohen Feiertagen etwas Kraft und Energie, niemals Schmerz. Statt Schmerz uno Kraft und Energie setzt uns der Oester, teicher oen erweichenden Pflaumenmus der Wehmuth vor. statt daß sein Auge im heili. gem Feuer glühte, schließt es sich langsam zu einem seelensrohen Lächeln. Den herzzer» reißenden Schmerz um ein verlorenes, um ein nicht erreichtes Ideal kennt cr nicht, denn sein Ideal ist der Frohsinn deö LedenS. Man glaube aber darum ja nicht, daß er blind sei für daö Große, faul für das Erhabene, stumm für das Edle. Nein, cr kennt, fühlt und denkt dieses Alles, aber es lieat tief, unendlich tief in ihm vergraben und verborgen.uerschleiertund—. Der Norddeutsche thut sich so mel auf sein Gemüth, zugute, als wenn er der privilegitte Gemüthsfalnikant und Gemüthöhändler wäre, und doch wahrhaftig — Maske. Täuschung! Das Gemüthliche liegt nicht in den blonden Haaren, in den theegewüsserten, faden, sen» timental uerschwimmenden Aeugleins, nicht in dem langsamen, singenden Tone der Sprache, nicht in dieser affectirten Hinge» bung und stillen häuslichen Seligkeit, nicht in den vielen Deminutiuworten. womit der norddeutsche Mann und das nord» deutsche Mädchen um sich herum werfen, nicht in dieser ccquctten Prüderie, die uns bei jedem Schritte begegnet, selbst nicht in dem behaglichen Stillleben der deutschen xa"- l^o/ev Philister, nrin das ist nicht daö Gemüthliche, auch nicht der Same desselben, ein Maökenkleid ist dieses Alles nur. wor» unter man Gemüthlichkeit vermuthet Nicht weil es srine tiefste innere Natur mit sich bringt, nicht weil seine Anschauung dazu auffordert, hängt oer Norddeutsche diesen Ge» müthlichkeilblappen um sich; gehen wir tiefer, reißen wir das verhüllende Gewano ab, um den Kern zu sehen, und wir erschrecken, daß es nichts anderes ist als eine gewisse Zag» haftigkeit, ein gewisser Gleichmut!), der Alles, was man will, mit sich machen läßt. Das ist die vielgepliesenc norddeutsche Gemüth» lichkeit. und dieser sogenannten Gemüthlich» keit büroe ich die Schuld cuf. daß Nord» deutschland so langsam vorwärts schreitet. Scheint es doch wahrhaftig, als wenn diese Gemüthlichkeit in der norddeutschen Luft läge, die so neblig, so still, so trübsinnig über den Städten ruht, daß der Südländer in ein Todtengewölbe zu treten meint. Ich will nur Hannover, Braunschweig, Oldenburg nennen, o? wie todt! Im Süden wohnt die wahre Gemüthlichkeit, jenes heitere Leben, welches das Herz auf der Zunge trägt, lvel» ches heraus wirft, was es drückt, welches keinen Feind kennt, keinenHaß, keine Prüderie. So ist die des Oesterreichers, so ilt die deS wahrhaft österreichischen Dichters Sc id l " .— Treffende Worte schreibt Johannes Nord. mann über Seid l den Volks» (Dialekt«) Dichter: „Mit seinen Dichtungen in öster« reichischer Mundart . . . . stellte er sich eiuzig und allein auf den Boden der Heimat, und diese sind ein Schatz, den nur seine Lands' leutc zu Heden die Zauberformel kennen. Er überragt aber alö Dialectoichtec um eine starke Kopfhöhe eine ganze Rotte von Dilet. tanten. welche das Volkä-IQioln als Flagge aufhissen, mit dem sie ihre süßlichen und gedankenlosen Hervorbringungen zu decken suchten. Das ist dci S. nicht der dürftige Fall; er spricht und singt frisch und gesund auS dem Volke heraus, das er in allen seinen Eigen» heiten belauscht hat. an denen er in der Nevro» duction des Liedes nichts durch ein oorneh» mes Künsteln verdirbt, die er gelegentlich
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
Title
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Subtitle
Schwarzenberg-Seidl
Volume
33
Author
Constant von Wurzbach
Publisher
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Location
Wien
Date
1877
Language
German
License
PD
Size
13.41 x 21.45 cm
Pages
380
Keywords
Biographien, Lebensskizzen
Categories
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