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Semlitsch 86 Semlitsch
hatte — im Verneinen — seine eigent-
liche Starke kennen gelernt und nun
ging auf Kosten des geistigen Kitzels
die schriftstellerische Sittlichkeit verloren.
Nicht um Gold hat Semlitsch sein
Urtheil verkauft, wie es beiSaphir und
Compagnie Brauch war. aber um Einem
Eins ĂĽber die Schnauze zu geben, um
emen Witz zu machen, an den Einer zeit-
lebens denken sollte, ĂĽbte er mit ver>
biffenem Aerger daS Schergenamt der
Kritik, und erzielte. waS er eigentlich
wollte, den VerdruĂź des Betroffenen,
wenn dieser schwach genug war. denselben
zu zeigen. Es soll damit jedoch nicht
gesagt sein. daĂź Semlitsch nichr auch
Anderes schrieb, worin sich diese Schatten»
seite seines Geistes nicht kundgab, im
Gegentheil, um sich und seine mittellose
alte Mutter zu ernähren, entwickelte S.
eine ftaunenerregende Fruchtbarkeit. Er
arbeitete unausgesetzt fĂĽr mehrere groĂźe
Journale des In- und Auslandes; er
monopolisine eine Zeit lang das Feuille-
ton der Provinzblätter und jenes der
„Krakauer Zeitung", welches er mehrere
Jahre unter dem Pseudonym Emi l
Schlicht schrieb, ist eine Zierde dieses
Blattes, dieses letzten deutschen PionnierS
an der Grenze des beginnenden Polen«
lhums. der auch bereits das Zeitliche
gesegnet hat. Von den Wiener Blattern,
in welchen Semlitsch von Zeit zu Zeit
mit seinen Arbeiten auftrat, sind mir
bekannt: Nordmann's „Salon", die
„Ostdeutsche Post", die „Morgenpost".
die „Neuesten Nachrichten" und die im
Jahre 1860 neu erstandene Theater-Zei-
lung", welche aber auch nur kurze Zeit
ihr Dasein fristete. Herausgeber dieses
Lexikons, welcher mit groĂźer Aufmerk-
samkeit Semlitsch'S schriftstellerisches
Auftreten verfolgte, gedenkt noch eini-
ger seiner Aufsätze, welche in dem in den Jahren 1833 und 1834 erschienenen
, Salon" abgedruckt waren, so z. B.
„Komische Touristen" ^18ä3, Bd. III,.
S. 113^, — „Geffentlichez Arben und Fezte
in Nom" ^ebd. S. 463^.— „Nas rumänische
Schwirl" ^ebd. S. 304). — „Siglinde
von Aeiiuiit; ^<834, Bd. I, S. 26, 38, 93.
12a). — „Dresden nnii Berlin" ^ebo. Bd.IV>
S.37. 113,-213. unvollendet), aus allen
diesen spricht eine TĂĽchtigkeit ohne Glei-
chen; die Kritik über „Sieglinde ist eine
ästhetische Studie voll Geist, wenngleich
rĂĽcksichtsloser Grobheit; dieParallele von
„Dresden und Berlin" ist reich an scharf-
sinnigen Pointen und zeigt eine unge»
wohnliche Beobachtungsgabe. Aber diese
angestrengte Thätigkeit zog ihm in den
letzten Jahren den „Schreiberkrampf" zu.
durch welchen seine rechte Hand gelahmt
wurde. Mit beispielloser Ausdauer ĂĽbte
er nun seine Linke zum Schreiben ein
und hatte sie in kurzem gezwungen, die
Dienste der untauglich gewordenen Rech<
ten zu vertreten, daher denn auch in seiner
Schrift die Buchstaben schief von der
Linken gegen die Rechte liefen. Später
lahmte dasselbe Uebel auch seine linke
Hand und S. war genöthigt seine Arbei«
ten zu dictiren. Indessen hatten die
fitzende Lebensweise und ohnehin schwäch-
liche Leibesbeschaffenheit noch Schwereres
über ihn verhängt. Der langst in ihm
gelegene Keim deö BrustleidenS, das ihn
schon seiner Zeit das Flötenspiel aufzu«
geben gezwungen hatte, entwickelte sich
immer mehr, artete endlich zu einer ga»
lopirenden Schwindsucht aus, welcher
auch eine durch Beihilfe seiner Freunde
ermöglichte Badecur, Genuß der Ruhe
und Landluft seinen Einhalt mehr zu
thun vermochten. I n RcZnau. einem fĂĽr
solche Zustände oft benutzten Bade in
Mähren, hoffte er Genesung. Am 17. Juli
hatte er Wien verlassen, am 23. bereits
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Volume 34
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Seidl-Sina
- Volume
- 34
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon