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Scnefelder 103 Senefelder
theateralische Laufbahn, noch seine dra-
matischen Versuche hatten den gewünsch,
ten Erfolg; auf der Bühne mißfiel er.
seine Stücke wollte Niemand drucken.
Diese letzteren waren: das.Lustspiel „Nie
M'ädchenkenner" und das Ritterscdauspiel
„Mathilde non Altenstein uder die Bärenhöhle",
beide auS dem Jahre 1?93. Dieser
Nmstand aber. daß sich Niemand fand,
der seine Stücke gedruckt hätte und da
S.'s Geldmittel zu beschränkt waren, um
auS eigenen Mitteln den Druck zu bestrei»
ten. wäre die Ursache einer Erfindung
geworden, welche Kronprinz Ludwig
von Bayern in Senefelder's Werk-
statte mit Steintinte für den Abdruck als
„eine der wichtigsten des achtzehnten
Jahrhunderts" bezeichnete. Um seine
Stücke durch den Druck zu vervielfältigen,
hätte S. nämlich auf Mittel gesonnen,
ob man nicht einfacher und wohlfeiler als
auf die bisherige Weise drucken könne.
So wird gewöhnlich die Geschichte dieser
Erfindung erzählt. Also die Erfindung
wäre daS Resultat eines vorangegange»
nen. diesen Zweck speciell in'S Auge fas»
senden Nachsinnens. Sie stimmt aber
mit der Thatsache, daß beide Stücke
Senefelder's schon im Jahre 1793
bei Leutner in München gedruckt sind,
gar nicht überein. Nicht um ein billigeres
Herstellen des Druckes seiner Stücke war
es Senefelder zu thun, sondern nach-
dem ihn ein Zufall, ohne weiteresZuthuli
seinerseits, hatte die Entdeckung des
Steindruckes macken lassen, nun erst
gerieth er auf die Idee, diese Entdeckung
für seine Zwecke als Requisitenmeister zu
benutzen, und dann ging sein erfinderischer
Genius immer weiter. Der Sachverhalt
aber, der zu natürlich ist, um nicht völlig
glaubwürdig zu erscheinen, ist folgender:
Es war der Abend vom 9.Februar 1793
und an demselben fand die erste Auffüh« rung von Moza rt's „Don Juan" auf
dem Münchener Hoftheater Statt, welche
persönlich zu dirigiren Mozart nach
München gekommen war. Senefelder
hatte das beschwerliche Amt eines Requi«
sitentneisters. Die Aufführung war glück«
lich von Stailen gegangen, Senefel»
der hatte sein Bestes gethan und nach-
dein er Alles wieder in Ordnung gebrockt
hatte, begab er sicb in sein ärmliches,
feuchtes und kaltesKämmerlein. aber nun
mußte er noch die Contremarken für den
folgenden Tag'stempeln. Als er in seine
Kammer eintrat, hielt er Dreierlei in
Händen: einen Rasnmefserschleifftein,
den er an demselben Abende von einem
Figuranten gekaufthatte, den mit Drucker»
tinte angefeuchteten Stempel und endlich
eine Anweisung auf seine monatliche
.Gage. die er am folgenden Tage bei dem
Theatercassier erheben wollte. Thüre und
Fenster an seiner Wohnstube waren nicht
eben sehr fest schließend; er hatte kaum
die Anweisung auf den Tisch gelegt, als
ein Windstoß das Fenster aufreißt. daS
kostbare Blatt in die Höhe hebt und dann
in ein Gefäß mit Waffer hineinfallen
laßt. Senefelder nimmt daS durch-
näßte Papier, trocknet es so gut wie mög«
lich, und legte es, noch immer etwas
feucht, auf den Tisch, und um es vor
einer zweiten Wafserfahrt zu bewahren,
belastete er es mit dem Schleifsteine. Der
Stempel war zufällig mit dem Schleif»
steine in Berührung gekommen. Am fol«
genden Morgen fand sich's nun, daß m't
einer bewunderungswürdigen Genauig»
keit das Zeichen des Stempels auf dem
feuchten Papier abgedruckt war. Sen e«
fe ld er bemerkte daS. Da er als Nequi-
sttenmeifter stets darauf bedacht sein
mußte, auch aus den geringsten Vorkom«
menheiten einen für ihn erleichternden
Vortheil zu ziehen, so fand er, daß diese
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Volume 34
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Seidl-Sina
- Volume
- 34
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon