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Simonitsch 320 Simonitsch
Thronfolger Abbas Mi rza in Ver
Handlung. Seit dreißig Jahren haw
daS Eabinet von St. James seinen un
maßgeblichen Einfluß am Hofe deS Schah
von Persien behauptet, und auf alle
Entschlüsse und Handlungen des per>
fischen Ministeriums entscheidend einge»
wirkt. Eine innigere Verbindung, welch
Ruhland mit Persien anstrebte, und die
bei der unmittelbaren Nachbarschaft bei
der Staaten für beide, insbesondere für
Nußland von großer Wichtigkeit war.
konnte trotz aller Bemühungen Rußlands
bisher nicht erzielt werden. Es hatte, die<
seS wichtige Unternehmen durchzuführen,
bisher immer an einer, durch Geist und
Charakter gleich bevorzugten Persönlich
keit gefehlt. Da wurde Kaiser Nikolaus
auf den Grafen Simonitsch aufmerk'
sam gemacht, der einerseits durck den
langjährigen Aufenthalt in Asien die er»
forderlichen Localkenntnifse, aber auch
sonst alle jene Eigenschaften: Muth, Um
ficht, Scharfsinn und Tact besaß, um es
mit der schwierigen Aufgabe, die oben
bezeichnet worden, zu versuchen. Unter
solchen Umständen war die oben erwähnte
Sendung an den persischen Hof erfolgt.
ES würde zu weit führen, die diplomati«
schen Verwicklungen, alle Unternehmun»
gen, um Englands weitaussichtige Pläne
zu durchkreuzen, seinen, so zu sagen, ver«
jährten Einfluß beim persischen Schah
und seinen Nathgebern allmälig zu
lockern, kurz. die Schachzüge des politi-
schen Spiels, daS Simonitsch in seine
Hand bekommen sollte, darzustellen. Der
in Perfien bevorstehende Thronwechsel
bot dem Grafen die beste Gelegenheil,
seinem Einflüsse endlich das Uebergewicht
zu verschaffen. Eine kurze Andeutung
deS Wie wird zeigen, wie scharfsinnig
S. dabei vorgehen mußte, und mit
welchen Factoren er zu rechnen hatte. Der Schah Feth A l i konnte jeden
Augenblick sterben, sonach war es die
Hauptaufgabe deS russischen Gesandten,
noch bei Lebzeiten deS Schahs einen
Nachfolger zu finden, um jede Gelegen«
heit zu inneren Unruhen, die bei einem
Erbfolgekciege unausbleiblich schienen,
aus dem Wege zu räumen. Nun hatte
Feth Al i hundert Söhne, die theils
als Statthalter die Provinzen vermal«
ieten, theils als Generäle fungirten, aber
alle in Einem, in dem Bestreben, sich un.
abhängig zu machen, übereinstimmten.
Irgend Einen aus diesem Haufen für die
Thronfolge vorzuschlagen, war gewagt,
weil alle Anderen eine solche unberech-
tigte Bevorzugung mit mißgünstigen
Augen betrachtet, und sich dann wohl
Alle gegen den Einen gestellt hatten.
Wahrend nun die englische Gesandtschaft
den Kunstgriff brauchte, alle diese ver>
schiedenen Prinzen, deren jeder mit Sehn«
sucht auf den Thron blickte, der bald er»
ledigt werden sollte, in ihren unerfüll»
barer Hoffnungen zu bestärken, und jedem
einzelnen als künftigem Schah zu schmei«
cheln, hielt Graf Simonitsch in dieser
verwickelten Sachlage als den einzig
sicheren Ausweg, den alten Sckah zu
bewegen, daß er seinen ältesten Sohn zur
Thronfolge bestimmte, was sich die übri.
gen Söhne noch am ehesten gefallen lassen
würden, und ihm auch gelang, indem der
Schah feinen Sohn Mohamed Mirza,
zu Englands größtem Verdruße, als seinen
Thron-Nachfolger erklärte und bestätigte.
Hatte Graf Simonitsch schon dadurch
den Einfiuß Rußlands in Perfien zu
einem gewichtigen gemacht, so wurde er
vollends zu einem überwiegenden, als
Mohamed Mirza, der seine Schah'
würde Nußland verdankte, nach Feth
Ali 's Tode thatsachlich den Thron seiner
Väter bestieg. Dabei verstand eS der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Volume 34
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Seidl-Sina
- Volume
- 34
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon