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Singer, Peter
und in sich verarbeitet. Mit 17 Jahren
ging er1n das Kloster, in welchem er am
42. August 1833 die Gelübde ablegte
und am 13. Juli 1834 die Priesterweihe
empfing, während er mit seinem musikali»
schen Drang begreiflicherweise auf sich selbst
angewiesen blieb. Eigenes Versuchen und
eigenes Nachdenken waren ihm fast die
einzigen Schlüssel zu den Geheimnissen
der Tonkunst. Durch einen seltenen In«
stinkt geleitet, drang er ziemlich tief in
den praktischen wie in den theoretischen
Theil der Musik. Als Resultat in letzterer
Richtung fand er ein neues System der
Harmonielehre. Ungleich bedeutender und
bekannter ist?. Singer als Specialität
im Instrumentenbau. Um sein merkwür-
diges „Pansymphonikon" zu hören, be<
suchen fast alle Fremden daä Franziskaner-
Kloster in Salzburg. In den fünf Tagen
des Mozartfestes (1836) smd an 1300 Per«
sonen in der Zelle 1?. Pete r'ü gewesen.
Die Beschwerlichkeit dieser Fremdenbesuche
wurde jedoch dem geduldigen Künstler mit
der Zeit noch empfindlicher durch ein
nervöses Leiden, welches ihm nur Vor»
mittags daS Spielen gestattet. Mitten in
der schlichten, mit Heiligenbildern ge»
schmückten Zelle steht das von I>. Peter
erfundene und von^ihm allein ausgeführte
„Panfymphonikon". Es ist ein großer
Kasten mit zwei Claviaturen und Pedalen,
hauptsächlich nach dem Princip der Phys-
Harmonika nur auS Zungenpfeifen con>
struirt. Vierzig Register geben der Me-
lodie abwechselnd die Tonfarbe des Wald«
hornö, der Oboe, der Clarinelte, der
Violine, des Cello'S u. s. w.. während
die linke Hand sauf der untern Claviatur)
nach Belieben eine Pianoforte» .oder
Physharmonika »Begleitung hinzufügt.
Der Ton mancher Instrumente (z. B.
Oboe, Fagott, Cello) ist so wunderbar,
daß man ihn in keinem Orchester schöner l Singer, Peter
finden kann. Tonmeister wie: Lachn er,
Meyerbeer. Spohr staunten eben
so sehr über die Schönheit dieser Klänge,
als praktische Orgelbauer über die unde«
greifliche Einfachheit der Mittel, wodurch
sie erreicht wurde. Auf Grund eigener
akustischer Studie-n ist S. durch fortwäh-
rende Versuche zu diesem merkwürdigen
Resultate vorgedrungen. Am Fenster steht
eine winzige Physharmonika, die man für
ein Modell oder für ein Spielzeug halten
möchte. I>. Singer setzt sich daran, und
ein schöner Ton, uoll und kräftig genug,
um damit eine Kirche zu beherrschen,
strömt aus dem niedlichen Instrumentchen.
Der Künstler hat es ebenfalls selbst gebaut,
um damit das Problem zu lösen, wie im
möglichst kleinen Umfang die größte Ton»
stärke zu erzielen sei. Dieser Bau, gleich«
falls auf dem Wege stelen Erperimen-
tirens entstanden, bielet den Sachverstän»
digen kein geringeres Nächsel. als das
große Pansymphonikon. Welck geniale
Begabung dieser Franziskanermöncd für
akustische Erfindungen besitzt, kann man
vielleicht abschätzen, wenn man die außer«
ordentlichen Hindelmsse erwägt, unter
welchen er seine Instrument-.' erfand und
in seiner Zelle allein ausführte. ?. L i n«
ger ist auch als Componist für den Got-
tesdienst sehr ihätig; er soll sehr leicht
proouciren. Sein schwer zu spielendes
Instrument behandelt cr mit Meister«
schaft. Wenn der hagere Klosterbruder,
zurückgelehnten Kopfes und mic halb.
geschlossenen Augen an semein Instru-
mente phantasirt. glaubt man sich in die
längst vergangenen Zeiten eines Fiesole
versetzt. Was I'. Singer'S Compo«
sitionen betrifft, so sind es verschiedene
Kirchenvocal'Composttionen, Messen. Of«
fertorien, Graduale, Marienlieder u. s. w.
rnit Orgelbegleitung, wovon Einiges im
Stich erschienen ist, so: „Smei Marienlieder,
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sinacher-Sonnenthal, Volume 35
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sinacher-Sonnenthal
- Volume
- 35
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 388
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon