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Spann, Franz Anton 76 Spann, Franz Anton
Gegenwart des Gefänqnißwärters spre«
chen dutfle, kam Spaun, als er eines
Tages entdeckte, daß er in dem anstoßen»
den Kerker einen Unglücksgeführten zum
Nachbar habe, auf die Idee, sich mit ihm
in Verkehr zu setzen. Die dicken Mauern
machten jedoch jede mündliche Mitthei.
lung unmöglich. Da siel er auf den Ge«
danken, sich mit dem neben ihm Ginge«
kerkerten durch Pochen verständlich zu
machen, und erfand zu diesem Zwecke
eine Pockzeicbensprache. die recht sinnreich
war. Die größte Schwierigkeit lag darin,
dem Nachbar erst bemerklich zu machen,
was eS mit diesem Pocken für ein Be>
wandtniß habe, und dann zu ermitteln,
ob derselbe der deutschen Sprache kundig
sei. Spaun sing damit an. vierund»
zwanzigmal an die Mauer zu klopfen und
setzte die Manöver so lange fort, biS der
Unbekannte merkte, daß damit die vier«
undzwanzig Buchstaben gemeint wären;
er erwiederte nun, zum Zeichen, daß er
ihn verstehe, das Klopfen. Bald ent»
deckte Spaun , daß sein Nacbbar nicki
deutsch verstände, er versuchte es nun mit
der französischen Spracde und dieß glückte
ihm besser. In einigen Wochen hatten eS
die beiden Gefangenen in dieser Pochzei«
chensprache so weit gebracht, daß sie sich
gegenseitig ihre Schicksale erwählen könn«
ten. Spaun erfuhr dadurch den Aus«
bruch und den Fortgang der französischen
Revolution, von der er in seinem Ver«
wahrsam noch nichts wußte. Dieser Nach-
bar war der ehemalige französische
Staatssekretär Märe t Herzog von'
Bafsano. Da er früher als Sp aun in
Freiheit gesetzt wurde, war er edelmüthig
genug, seinen Leidensgefährten nicht zu
vergessen, und ihm demgemäß eine Pen«
sion auszuwirken, von der Spaun diS
zu seinem To!rx- gelebt hat. Als der Her-
zog sich zehn Jahre nach seiner Freilas. sung in München befand, ging Spaun
zu ihm. Es klopfte an die Thür des
Zimmers nach der alten Weise, wie im
Kerker, an und der Herzog rief aus:
„O'eLt. 8p a.un ou Is viadis". Spaun
aber war nicht blos ein großer Mathe»
matiker, sondern auch sonst in anderen
Wissenszweigen gründlich gebildet und
l im Bereiche der schönen Künste und
Wissenschaften wohl bewandert, wenn»
gleich seine Ansichten in ästhetischen
Dingen, für welche der Maßstab des
Verstandes und einer nüchternen Specu»
lation nicht mehr ausreicht, schroff klan»
gen und nicht selten Befremden, ja sogar
Unwillen erregten. Auf Göthe war
er nicht gut zu sprechen und sein Grimm
galt ebensowohl dem Menschen, wie dem
Poeten. Was andere Anti»Götheaner.
z. B. Glover. Menzel , Heine,
Lieme, gegen den Weimarer Staats»
Minister und gegen den deutschen Dichter«
heroS vorbrachten, konnte man als lamm»
frommes Geflüster bezeichnen, wenn
Spaun gegen ihn zu donnern anfing.
Dabei war er ein ganz komischer Kauz.
So erzählte er eincS Tages, nachdem er
wieder cine Philivpica gegen Göthe
losgelassen, plötzlich von seinem Thema
abspringend, daß er soeben beim Könige
— damals König Max, der bekannte
Menschenfreund — gewesen. Die Um«
stehenden fragten um die Unterredung.
Spaun erwiederte nun ganz ruhig —
daß er nickt vorgelassen worden sei. Alle
brachen nun in homerisches Gelächter
auS. Einer der Anwesenden wollte sich
aber Spa un's Injurien gegen Göthe
nicht ruhig gefallen lassen, und verlangte
dafür, daß Spaun ein arithmetisches
Räthsel auflösen solle. Dieses wurde
auf ein Stück Papier geschrieben und
den Anwesenden im Kreise zur Kenntniß«
nähme herumgereicht. Nachdem Spaun
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Volume 36
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sonnklar-Stadelmann
- Volume
- 36
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 376
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon