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Stadion-Warthausen, Franz Ser. 2 Stadion-Warthausen^ Franz Ser.
Cholera, die damals noch ungekannte
Seuche, auS, welche AlleS mit Furcht und
Entsetzen erfĂĽllte. AlS sie sich auch in
RzeSzow zeigte, und bald die ersten
Opfer forderte, blieben diese verlassen.
Niemand, auS Furcht vor Ansteckung,
wagte es, sich einer Leiche zu nahen, und
selbst der Todtcngräber weigerte sich,
seine Pflicht zu verrichten. Da gab der
24jährige Stad ion ein heroisches Bei-
spiel, er packte^ eine der Choleraleichen,
lud sie auf seinen RĂĽcken und trug sie
auf den Friedhof hinaus. Das Beispiel
war gegeben, und der Bann des Schre»
ckens gebrochen, die Todtengräber ver>
richteten nun ordnungsmäßig ihren
Dienst. Nach vierjähriger Thätigkeit in
Galizien, kam der Graf am t 3. März
4832 gleichfalls als ĂĽberzahliger und
unbesoldeter Gubernial«Secretar nach
Innsbruck. Ungeachtet einer seiner Vor»
gesetzten in die QualificationStabelle
des Grafen die Bemerkung schrieb: „Zu
jedem weiteren Avancement unfähig",
denn der Graf hatte sich bei der ihm
eigenthĂĽmlichen Weise die Dinge eben
anders anzuschauen und aufzufassen, als
dieherrkö'mmlicheWeiseesmitsich brachte,
in den Augen seines nur den schnür»
geraden Weg wandelnden Vorstehers
mitunter zu starke Blößen gegeben, kam
er doch schon in kurzer Zeit danach als
k. t. Hof'Secretär zur Allgemeinen Hof«
Kammer nach Wien, wo er bereits am
12. Mai l A t , also noch nicht 28 Jahre
alt, wirklicher hofrath wurde. Sieben
Jahre hatte er am Hofrathstische und
im BerathungSsaale gearbeitet, als er
am 29. Februar 484t zum Gouver»
neur des österreichischen Küstenlandes —
Trieft, Istrien, Görz und Gcadisca —
ernannt wurde. Der Graf zahlte damals
33 Jahre; nicht eben zu viel fĂĽr einen
Posten, der ebensoviel staatsmännischen Tact als Verantwortlichkeit gegenüber
einer strammen (Zentralbehörde erfor«
derte. Man bezeichnet die Zeltler Thä>
tigkeit des Grafen im KĂĽftenlande als
die glänzendste Periode seines Lebens
— und daS ist sie auch gewesen, die
schwierigste und wichtigste bleibt aber die
noch wenig gewĂĽrdigte und durch die
Unwahrheiten der polnischen ActionS"
Partei entstellte in Galizien. Wie der
,zu jedem weiteren Avancement unfa»
hige S tad ion" im Küstenlande auf»
trat, bezeichnen am treffendsten die Worte
eines hochgestellten Beamten, dem eS da«
mals an Sradion'S Seite mitzuschaffen
gegönnt war: „ES war", sprach dieser
auS, «als ob erst bei seinem Auftreten
die Provinz an Oesterreich gekommen
wäre". Er faßte zunächst ebenso den mer«
cantilen Aufschwung der stets bewegten
See« und Handelsstadt wie die intelleo
tuelle Hebung deS bis dahin ziemlich ver«
wahrlosten Volkes ins Auge. Von den
damaligen Beamten kannte jeder das
Iand höchstens auS den Acten seines
Bureautisches, der Graf lernte eS vor
Allem durch den Augenschein kennen; er
bereiste daS ganze Land nach den ver»
schiedenen Richtungen, hielt sich in den
ärmsten Ortschaften wochenlang auf, trat
mit dem Volke in unmittelbaren Ver«
kehr, lernte seine Anliegen, seine Bedürf«
nifse, seine Noth, Verwahrlosung und
Unwissenheit kennen, und gewann aus
eigener Einsicht sofort die Ueberzeugung,
daĂź vor Allem zwei Dinge Noth thun:
Regelung des Gemeindewesens und För«
derung der Volksschulen. I m Hinblick
auf Ersteres kannte er die Langsamkeil
der Regierungsmaschine auS der bisheri«
gen amtlichen Thätigkeit. Wollte er also
ein neueS Gemeindestatut schaffen, so be»
durfte eS erst der Bewilligung von oben,
und eS vergingen Jahre, ehe die Sache
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon