Page - 9 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stadion-Stegmayer, Volume 37
Image of the Page - 9 -
Text of the Page - 9 -
Stüdion-Warthausen, Franz Se.r. 9 Stadion-WarthauseN) Franz Ser.
all sein Ringen gegen 3üge, Verrath,
offenen und heimlichen Aufruhr, Radi-
cale, Demokraten. Emissäre und söge«
nannte Vaterlandsfreunde ein fast ver«
gebliches gewesen. Doch das Eine. und
das ist in jener Zeit. in welcher der
Wahnsinn zur Methode geworden, und
man vor keinem Mittel zurückschrecken
durfte, um den losgelassenen Elementen
der Revolution wirksam zu begegnen,
das wichtigste: „So lange S tad ion
in Galizien geblieben, war kein Blut
vergossen, keine Flinte war losgeschossen
worden, ja es hatte, so lange Stad ion
in der Provinz geblieben, keine größeren
Ausschreitungen, keinen Aufslandversuch
in Lemberg mehr gegeben. Ausführlicher
schildert He lfe rt's in den Quellen citir«
tes Werk S tad i 0 n's Thätigkeit in Ga.
lizien (S. 26—33). Aber unter den Ver«
Haltnissen, wie sie damals lagen, war
Stadion's längeres Verbleiben in Ga«
lizien unmöglich; auch war in den letz-
ten Tagen des Mai, als die Zustande in
Wien sich in immer grellerer Weise ent»
wickelten, an ihn in vertraulicher Weise
eine Einladung ergangen, nach Inns-
brück, wo damals der Hof sich befand,
zu kommen, denn der Graf sollte mit
der Bildung emeS neuen Ministeriums
betraut werden. Heimlichst, man sollte
eS kaum glauben, und doch ist es wahr,
und in möglichster Eile, traf der Graf
seine Vorbereitungen zur Abreise, be>
traute den Vice «Präsidenten des Gu«
beruiums mit der Führung der Geschäfte,
und verließ auf Umwegen am 4. Juni
Lemberg, wo jedoch bald seine Abreise
bekannt geworden war. Indessen war in
Wien, wo bereits alle Verhältnisse ge»
lockert waren, von der Actionspartei.
welche ein Ministerium S tad ion furch«
tete, Alles aufgeboten worden, um den
Namen Stad ion möglichst unpopulär zu machen. Besonders waren es die Mitglie-
der jener schon erwähnten polnischen De-
putation, welche in Wien auf Erledigung
ihrer Petition harrte, diekein Mittel scheu«
ten, den Namen jenes Mannes zu verdach,
tigen, dem das Land für seine Mäßigung
in schwersten Zeiten ewig Dank wissen
sollte. Hier ist es am Platze, eines Um«
standeS zu gedenken, den die polnische
Actionspartei nie verwinden konnte, und
aus welchem aller Ingrimm gegen Sta-
dion entspringt. Das ist nämlich Sta-
dion's sogenannte „Er f indung der
Ruthenen" ^man vergleiche über die
Anfänge dieser Angelegenheit in den
Quellen . Materialien die Actenstücke
Nr. 44, 43, 48^j. Die Ruthenen, auch
Russinen genannt, waren von den Polen,
neben denen sie in einem Lande woh«
nen, immer unterdrückt, und ihnen die
vom Kaiser I 0 sep h eingeräumten
Rechte theils verkümmert, theils ent«
rissen worden. Als Graf S tad ion sick
mit. den Zuständen des Landes Galizien
vertraut gemacht, und auch das an den
Ruthenen begangene Unrecht aus Acten
und Verhandlungen kennen gelernt, setzte
er die Ruthenen einfach in die ihnen
gesetzwidrig vorenthaltenen Rechte wieder
ein. Diese Zurückerstattung gesetzlicher
Reckte und die Ermöglichung ihrer Aus«
Übung gegenüber den Polen, die ihren
alten Druck auf ihre ruthenischen Stamm«
verwandten nun'nimmer ausüben könn«
ten, wurde von der polnischen Partei
alsbald in ihrer, ganzen Rückwirkung
empfunden, und in ihrer Ohnmacht, das
Gesetz und Recht aus dem Wege zu schof»
fen, erfand sie den schaalen Witz: «Sta«
dion habe die Ruthenen erfunden", den
auch die Pamphletisten des Achtundvier«
ziger-IahreS, welche immer mit der Re»
volution gingen, gedankenlos nachlalltm.
Aber ein Witzwort reicht nicht aus, um
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon