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Stadion, Friedrich 30 Stadion, Heinrich (II.)
mehrere am Altar zum h. Nlut beobachtete
Wunder verdächtig geworden, darüber An»
zeige erstattete und Untersuchung verlangte,
räumte der Graf alsbald, nachdem er die
Angelegenheit dem Kurfürsten vorgebracht,
den ganzen Schwindel auf, und biachte ohne
Wunder Stumme zum Reden, Lahme zum
Laufen, entpuppte Besessene. als verkappte
Gauner, ganz einfach durch eine drsvl mann
angebrachte Tracht Schläge, uor welchen die
simulirten Gebrechen sofort Reißaus nahmen.
Auch dem Hexenglauben und ähnlichem Un
fug steuerte der aufgeklärte Minister. Inter-
essant ist es, wie der Graf sich seinen da«
maligen Sekretär, den geistvollen Georg
Maximilian La Röche, den Gemal der
nachmals berühmten Autorin der Geschichte
des Fräuleins von Stern heim, Sophie
La Röche, geborenen Gutermann, heran«
zog. Man wollte wissen, La Röche sei des
Grafen natürlicher Sohn gewesen. Er bediente
sich des Jungen zu allen Arbeiten, ließ ihn
Vriefe beantworten, Depeschen entwerfen,
sie dann numeriren, öfter chiffriren. siegeln.
Dieß währte mehrere Jahre und der älter
gewordene La Röche hielt sich selbst schon
' für ein Geisteskino ganz eminenter Art. Da
führte ihn eines Tages der Minister an
einen großen Schreibtisch, ließ ihn dessen
Fächer öffnen und darin fanden sich alle
gesiegelten Briefe, Depeschen, Chiffren u. s. w.
unerbrochen als Uebungsstücke des Knaben
und Jünglings aufbewahrt. Noch ein anderes
Experiment nahm der Graf mit seinem Zog.
linge vor. Dieser mußte nämlich lernen, die
Handschrift des Grafen auf das genaueste
nachzuahmen, so blieb nun dem Grafen alles
Selbstschreiben erspart. DaS Originellste ist
doch folgende Thatsache. Der Graf hatte sich
in eine geistvolle Dame verliebt, während
er in ihrer Gesellschaft bis in die späte Nacht
verweilte, concipirte La Röche die heißesten
Liebesbriefe. Der Graf wählte nach seiner
Heimkehr einen, der ihm am besten gefiel und
schickte ihn noch in der Nacht an die Dame sei»
nes Herzens, die daraus entnehmen sollte, wie
auch der Graf bei Nacht sich ununterbrochen
mir ihr beschäftige, während er in Wirklich,
keit ganz gemüthlich in Morpheus' Armen lag!
Als der Graf im Jahre 1762 das Amt des
Großhofmeisters und ersten Ministers nieder,
gelegt, folgten ihm La Röche und seine
Gattin Sophie nach Warthausen, dessen Ver«
waltung nun der Graf selbst führte, worin
ihm aber La Röche als alter 630 zur Seite jtand. Seine Frau unterwies La Röche für
d'en Verkehr mit dem Grafen, wenn sie bei Ta,
fel war oder ihm auf seiner Promenade durch
die lange Reihe von Gemächern das Geleite
gab, in origineller Weise. Jeden Morgen
von 7 Uhr, bevor er sich in das Cabinet des
Grafen zur Arbeit begab, bezeichnete er
Sophien bereits gewählte Stellen aus deut»
schen,' französischen und englischen Büchern,
welche dann die geistvolle Frau tagsüber
geistig durcharbeiten und zum Gesprächs«
stosse mit dem Grafen bei Tische oder auf
den erwähnten Zimmerpromennden verwen«
den sollte. Nach des Grafen Tode (1768)
wurde La Röche als Staatsrath von dem
Kurfürsten von Trier nach Coblenz berufen.
Zehn Jahre blieb er in dieser Stellung bis
er als Verfasser der „Briefe über das Mönchs»
wesen, von einem katholischen Pfarrer an
einen Freund", vier Bändchen, an denen
mit ihm noch I . I . Brechter Theil genom«
men und die zu jener "Zeit großes Aufsehen
erregten und nicht gelesen, sondern, so zu sagen,
verschlungen wurden, seinen Dienst verlor.
Graf Stad ion starb im hohen Alter von
78 Jahren. Am 27. Juni 1724 hatte sich
Graf Friedrich mit Mariunna Augusta Ant»
ma von Äckingen vermalt, welche ihn um
sechs Jahre überlebte. Ans dieser Ehe stam«
men sieben Kinder, von denen Graf Franz
Conrad l^S. 28, Nr., 7) den Stamm fort<
pflanzte. Graf Friedrich ist der Groß.
vater der beiden Grafen Friedrich Lothar
und Johann Phi l ipp Kar l und Urgroh«
vater des Grafen Franz Seraph. Seine
Tochter Therese Sophia wurde die Ge-
malin des denkwürdigen kaiserlichen Kam»
merrichterS Franz Joseph Grafen S p a u r
iVand XXXVI , Seite 86^. Porträte,
i) Unterschrift: „Oouut 8taäion. ^o/<?i//a<7
Nngi-Kvor to tUs KIaHL5t? Lculpl. " (Oval'
gr. 4«.). — 2) Unterschrift: „(!oiniü 6s
StaäioQ. 3ok. I I . I.ipL äsl. ot tsoit. 1773«
(gr. 4). Zwei schöne und nicht häufige
Blätter. Letzleres auch in der franzö'
fischen Ausgabe von Lauater's Vhysio»
gnomik.) — 11. Friedrich Lothar Graf
Stadion» War thau sen, siehe die beson-
dere Biographie Seite 3». — 12. Hein-
rich (II.) oonStategun, Abt von St.
Blasien. Aus dem Geschlechte der State«
gun, woraus später S tad ion gebildet
worden, ist er einer der bedeutendsten Prie«
ster aus der Zeit des Kaisers Rudolph
von Habsburg (1239 — 1291). Nach dem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon