Page - 89 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stadion-Stegmayer, Volume 37
Image of the Page - 89 -
Text of the Page - 89 -
) Ignaz 89 Stahls Ignaz
mund's „Bauer als Millionär", den
Bett ler im .Wiener Freiwilligen", den
T o d t e ngräber in Raupach's
„Müller und sein Kind" in virtuoser
Weise. Aber weniger seine Leistungen
auf der Bühne machten seinen Namen
so bekannt, als seine Gutmüthigkeit, die
ihn im Privatleben zum gemüthlichsten
und herzigsten aller Polterer machte.
Und das war nicht theatralische Maske,
das war angeborene Natur, so daß S.
bald zu den bekanntesten Typen der
Wiener Gemüthlichkeit zählte, welche
den Ausdruck: „Wieder ein alter Wiener
weniger" erklärt, als man seine Leiche
zu Grabe trug. Wie diese seine Gut-
müthigkeit von seinen Collegen ausge-
beutet, und wie er namentlich von N e»
stroy und Scholz auf und außer der
Bühne geneckt wurde, entzieht sich hier
einer näheren Schilderung. Im „Lum»
pazivagabundus", in welchem Stücke er
den Hobel mann spielte, wurde die
Scene, in welcher er seinen beiden Ka»
meraden Zw i rn (Scholz) und Knie.
riem (Nestroy) die Nachricht mittheilt,
daß der dritte im Bunde, drr Tischler
Leim. ihnen 40.000 fl. geschickt habe,
von Nestroy und Scholz immer
improvisnt. und S tah l unwillkürlich
anfangs ganz gutwillig, dann aber mit
so schlechtverhehltem Ingrimm, daß es
das Publicum merkte, mit hineingezogen.
Der Beifall im Publicum steigerte sich
mit dem immer deutlicher werdenden
Zorne S t a h l'S. Man schien in die
ertemporirte Komödie in ihrer Glanzzeit
versetzt. Gin ander Mal mußte er über
Nacht eine viele Bogen starke Rolle für
eine Aufführung am folgenden Abend
lernen, um aus der Probe, wo Niemand
erschien und nur der eigens deßhalb
bestellte Souffleur sich eingefunden, zu
erfahren, daß an diesem Abend gar nicht gespielt werde und ihm die Rolle
nur aus Jux zugeschickt wurde. Wieder
einmal erhielt er eine Einladung zu
einem Balle, und als er von den in
diesem Scherze verschworenen Freunden
so lange aufgehalten wurde, daß es die
höchste Zeit war. sich anzukleiden, fand
er, als er Toilette zu machen begann,
die Aermel seines Ballhemdes, ebenso
die Beinkleider an den unteren Enden
zusammengenaht, die Ballstiefel an den
Fußboden angenagelt, die Weste hatte
mitten an der Brust einen ungeheueren
Fleck u. s. w., und indessen wurde er
von den ihn erwartenden Freunden im«
mer mehr und mehr gedrängt, sich doch
zu beeilen. Und solche Juxe mit ihm
gab es immer wieder. und immer wie»
der versöhnte sich der „gute Kerl" mit
seinen Widersachern, die er im höchsten
Zorne die „St. Annabuben" schimpfte,
da er mit ihnen zusammen die Schule
zu St. Anna in Wien besucht hatte.
Eine seiner Glanzrollen war die des
Theatecsecletars Fe in , in Kaiser's
Stück „Die Theaterwelt", in welcher
Rolle er den allgemein verhaßten Ver«
trauten des Directors C a r l . den Thea-
tersecretär Franz. bis zum Verwechseln
copirt, so den grimmigen Haß desselben
auf sich geladen und nicht wenig von
ihm zu leiden hatte. Die letzten Jahre
seines Lebens war S. ohne Engagement
und wurde von verschiedenen Bühnen-
freunden unterstützt: bei einem derselben,
einem roichen Handelsagenten, hatte er
freien Tisch und erhielt auch sonst noch
von demselben eine Unterstützung. Als
aber auch dieser starb, war S t a h l
hilflos, versank in die biiterste Armuth
und folgte wenige Monate später seinem
Wohlthäter ins Grab. Nach seinem im
Spital der barmherzigen Brüder im
Alter von 72 Jahren erfolglen Ableben
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon