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Staudigl 262 Staudigl
waren, siel das Urtheil oft sehr tadelnd aus,
was den Musikus, der sehr ehrgeizig und ver»
wöhnt, nicht wenig ärgerte, und unS vorwarf,
wir verständen seinen hohen Geist gar nicht. E
machte uns oft tĂĽchtig herunter. Wir wies
ihm die gröbsten Verstöße im Contrapunct,
nach, er aber blieb bei der hohen Me
nung, die er von seiner Person hatte. Me
sang ich's zuerst, aber einmal war ich nich
im Stande, diesen Unsinn zu singen, unt
behauptete, es sei nicht zu singen. Ich leg
es dem Compositeur vor und forderte ih
auf, es selbst wenigstens zu brummen, da
keine Stimme hatte. Ein Patient begleite«
ihn auf dem Fortepiano. Richtig brachte
es selbst nicht zu Stande, es war eine A>
Katzenmusik. Was that nun S taud ig l
Er nahm das Lied und sang es vom Blatt«
weg mit all den Dissonanzen, gerade so wĂĽ
es geschrieben war, und setzte uns alle i
Erstaunen. Meist war er sehr gut gelaun
und schien sein UnglĂĽck nicht zu achten,
spielte fieiĂźig Schach und Billard, worin
ein großer Meister war, und beschäftigte sich
mit Lesen und Spazierengehen im Garten,
wo wir uns gut unterhielten, seine Lieblings
lieder sangen und von Jagd, wovon er auch
ein groĂźer Liebhaber war, seinen Kunstreisen
u. dgl. discurirten, was er gerne that. Ich
durfte nur intoniren: „ In tiefem Keller sitz'
ich hier, auf einem FaĂź voll Reben", eines
seiner Lieblingslieder, so sang er weiter. Nu'
hatte er die Manier, recht hoch zu singen,
was seinem tiefen Baß unschön ließ. Wenn
man ihm das vorstellte, erwiderte er: „Ich
habe zwölf Octaven und kann noch höher/
Auf die Einwendung, daß der Sänger ge
wohnlich nur zwei hat, erwiderte er: „O,
Anfangs, als kleiner Bub, hatte ich diese nicht,
erst nur fünf Töne, dann wuchsen die Töne
mit den Jahren, und nachdem ich erst in
den Bergen bei Wöllersdorf (sein Gut) ein
berĂĽhmtes Kraut gefunden (er gab sich sonst
viel mit Homöopathie ab), bekam ich die
Jugend wieder und dazu zwölf Octaven".
Das war nicht Scherz, sein voller Ernst.
Nach einem Besuche des Herrn Hofschau-
spielers Löwe war er einmal sehr aufge-
regt — die Erinnerung an seine Glanz-
periode machte das, und eS muĂźten die
weiteren Besuche sehr beschränkt werden. So
oft ich ihn fragte: „ S t a u d i g l , wie
geht's?" antwortete er resolut: „Sehr gut,
Pfarrer." Er nannte mich immer so, obgleich
:rir dreißig Jahre schon bekannt sind." — Noch ein Wort über Staudigl 's Schwa-
nengesang. Das letzte Lied sang der
KĂĽnstler im Irrenhau'e vor einem kleinen
Kreise von Zuhörern bei Gelegenheit eines
Besuches, den ihm seine Kollegen Ander,
Beck, Rosa Cf i l lag und noch einige
Collegen der Hofoper in seinem traurigen
Asyl gemacht. Gc versuchte dabei zuerst den
Vortrag der Arie ,O Isis und Osiris!", die
er dereinst in solcher Vollendung gesungen,
daĂź es ihm wohl darin Keiner nachgemacht.
Aber er kam mit der Sache nicht zurecht, er
muĂźte die Arie in der Mitte unterbrechen.
Von tiefer
sichtlicher Wchmuth ergriffen, ging
er hierauf auf den „Wanderer" von Schu-
bert über und sang dieses Lied, jedoch selt«
samer Weise, ohne den Tert auszusprechen,
in solcher Rührung, daß helle Thränen über
seine Wangen flössen und auch bei seiner
Zuhörerschaft kein Auge trocken blieb. Es
war Staudigl 's letztes Lied.
IV. Porträte, t) 3ith. von B e ckel (Fol.). —
2) Gezeichnet und lithographirt von Krie-
huber (Wien 1846, Spina. Fol.). Ich sah
ein Exemplar dieses Bildnisses mit Stau.
digl's eigener Devise: „Der Kunst mein
Leben, dem Freunde mein Herz". — 2) Unter«
schrift: Facsimile dcs Namenszugeö „ I . Stau-
digl". C. Mayer geschabi 1836 (nach
Rahl?). Beilage zu M. Auer's polyg.
illustr. Zeitschrift „Faust" (gr. 4«.) schönes,
lebensvolles, nicht häusiges Blatt). —
4) Unterschrift: «^oseM stauäiKl. l k. k.
os^ i 'rGntsynLk^" (8a.) ssehr selten). —
5) Unterschrift: ^oLOpkLlHuäißl. 55. H. Da»
KUOrryat^p, FvLt. v. ^,. WsF6r u. 8in»
ssr sauch als Beilage zur Leipziger Moden»
Zeitung). — 6) Unterschrift: „N6rr stauäiFi
unä, IlOlr «Uisokok s in äüln osrütimten,
I)»16tttz »,U,8 6.6U. »I'NI'itÄNbrn"» FS3U,NF6N
im k. k. Mv. 1!i62.t.Vr «,u äsr ^Vieu. j Lsi
<1sr I'rompsto slLtsm Rut v^irLt <lu ^onapV'
nst miok ösksii sto. I H,när. QsiFsrsc!."
(40.) fwahrfcheinlich nach einem Originale
Cajetan'Elf inger'6 gestochen. CostĂĽm-
bild Nr. 106 der Bäuerle'schen Theater-
Zeitung). — 7) Unterschrift: „llsrr 8t^u..
äiFl I als z OosrMsLthr in H«r 0psr
!>sol-MH. N. Xsrn äs!. H.ncl.. (3 ei 361°
so." (4".). Costümoilo der Bäuerle'schen
Theater'Zeitung Nr. 33.
. Gedenktafel. An dem Geburtshause Stau'
digl's in Wöllersdorf Nr. l6 wurde am
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon