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Stephan, Martin 296 Stephan, Martin
nisten, geb. zuStramberg in Mäh«
ren am 13. August 1777, gest. zu I l l i -
nois in Nordamerika am 21. Februar
1846). Erlernte in seiner Jugend das
Weberhandwerk und kam auf seiner
Wanderung gegen das Ende des 18.
Jahrhunderts als Webergeselle nach
Bceslau. Schon im Elternhause, wo die
Bibel die tagliche Lectüre bildete, hatte
er sich frühzeitig eine ziemlich eingehende
Kenntniß dieses Buches der Bücher an-
geeignet, in Folge dessen in den pieti-
stischen Vereinen, welcke damals unter
der protestantischen Bevölkerung BreS»
laus zahlreicb waren, bereitwilligst Auf-
nahme gefunden und in denselben bei
semer Bibelfeftigkeit ancb schnell Ansehen
und Bedeutung erlangt. Die Energie,
mit welcher er die biblische Autorität,
als die höchste zur Geltung zu bringen
suchte, gewann ihm insbesondere die
schwächeren Gemüther, wenn gleich diese
wie auch andere durch sein rücksichtloses
Auftreten sich viel mehr von ihm abge«
stoßen als zu ihm hingezogen fühlten.
Nach einigen Jahren dieses Treibens in
religiösen Vereinen und Conventikeln
wollte ihm auch sein Weberhandwerk
nicht langer behagen und er beschloß,!
sich dem Predigtamte zu widmen, wozu
ihn sein Rednertalent und seine Bibel-
kenntniß besonders eigneten. Er besuchte
zu diesem Zwecke das Elisadetheum in
Breslau. Dem damaligen Reclor dieser
Anstalt gefiel vor Allem Stephan's
nicht gewöhnliche Bibelkenntniß, wenn«
gleich ihm nach näherer Prüfung seines
Zöglings dessen geringe Talente und
übrige Mangelhaftigkeit der Kenntnisse
nicht verborgen blieben. Aber der fana«
tische Eifer brach bereits damals bei dem
einstigen Webecgesellen durch und ge-
wann an Stärke, als er von Breslau
nach Halle und von da nach Leipzig sich begab, wo er im Jahre 1806 das Stu»
dium der Theologie begann. Daselbst
aber ging es mit seinen wissenschaftlichen
Arbeiten mehr zurück als vorwärts und
in seinem Fanatismus, der seine man«
gelhaften Kenntnisse ersetzen sollte, ver«
warf er. nach dem Ausspruche des sonst
von ihm verketzerten und verdammten
Stifters der Brüdergemeinde Zinzendorf,
Literatur und Kunst als „fleischliche Wis.
sensckaften". Seine praktische Redner-
gäbe aber bildete er durch das Lesen
vieler älterer EcbauungSbücher noch mehr
auS. Da er sich der Ablegung eineS
theologischen Examens nickt gewachsen
füblte. begab er sich auf private Em»
pfehlung nach Böhmen, wo er im Jahre
1809 die Pfarrstelle in Haber übernahm.
Unterdessen war in Dresden die Pfar»
rerstelle an der böhmischen Kirche im
Jahre 1811 offen geworden. Zu der»
selben wurde ein Candidat erfordert,
welcher der böhmischen Sprache machtig
war. Bei dieser Gelegenheit gelang es
S t e p h a n , welcher damals in sehr
nahen Beziehungen zu den Herrnhutern
stand, in den Besitz dieser Pfarre und
durch den Einfiuß des Hofpredigers Do-
rt ng, der den Ausspruch that, daß
Stephan bei seiner notorisch-christlichen
Gesinnung und seinem praktischen Ta«
lente doch zu der Hoffnung einer red.
lichen Wirksamkeit berechtige, welches
Wohlwollen ihm Steph an spater durch
schnöden Undank vergalt, glücklich durch
das Examen zu kommen. In den ersten
Jahren seiner geistlichen Amtsführung
verfolgte er streng die Tendenz, den rein
lutherischen Lehrbegriff als den einzig
wahren Weg des Heils und das Wort
Goties, „wie es in der Bibel steht", zu
predigen. DaS Bedürfniß der Gemüther,
aus dem starren Orlhodoxismua und dem
damit meist verbundenen Zelotismus her«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon