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Stephan, Martin 298 Stephan, Martin
Schlimmeren in seinen und den Plänen
der Seinigen ein. Die Bewegungen des
genannten Jahres hatten die Aufmerk»
samkeit der Regierungen auf jedes Trei«
ben, das über die engbeschriebene gesetz-
liche Sphäre hinaus drängte, gelenkt und
die bisherige Strenge gesteigert; auch
waren ihm mehrere einflußreiche Gönner
und Förderer seiner Lehre abgefallen,
sein ganzes Treiben wurde schärfer ge»
prüft, er alsbald mehr und mehr ver»
kehert und in öffentlichen Blattern als
Volksverführer und Schwindler. der er
seit allem Anfang gewesen, mit Ent»
schiedenheit angegriffen. Die Tage seines
Glanzes waren dahin; wohl vertheidigte
ihn seine Gemeinde gegen diese Angriffe,
da er es selbst unterließ, wie es hieß,
weil n es unter feiner Würde hielt, rich»
tiger, weil er keine Federn. die für ihn
schrieben, mehr zur Verfügung hatt».'.
Nun machte er persönlich, um die
Flammen zu scbüren, Inspectionsreisen
dlirck den ganzen selbst gebildeten
Sprengel und bald war das ganze Mul-
denthal in Aufregung; auch im Alten»
burg'schen und Weimar'schen machte fich
der Einfluß des StephaniSmus bemerk-
bar. Es ist immer dieselbe Erscheinung,
daß halbgebildete sich einer unterdrückten
Angelegenheit. in welcher sie bisher nur
lässige Theilnehmer waren, energisch und
entschieden annehmen. Die Angelegen-
heit nahm immer größere Dimensionen
an; die Conventikel. dieStephan selbst
mit seinen Anhängern hielt, gaben zu
ärgerlichen Gerüchten Anlaß und es kam
so weit, daß die Ständeversammlung
im I . 1837 die Angelegenheit zum Ge-
genstande ihrer Verhandlungen machte.
Das Ergebniß derselben war die Ein«
leitung einer Untersuchung, aus welcher
Stephan im October o. I . suspendirt
hervorging, nachdem einer seiner nächt- lichen Conventikel in einem Weinberg
bei Dresden polizeilich aufgehoben wor«
den war. Nun wurde das Auswan-
derungsproject allgemein proclamirt; das
aber war auch der Zeitpunct, in welchem
Stephan's Anhänger ikm als einen
neuen Moses proclamirten, der sein Volk
inS 3and Kanaan führe. Im Frühjahr
1838 setzte S. seine nächtlichen Zusam.
menkünfte im Bade Radeberg, wohin
er sich begeben hatte, fort. Indessen
wurde der Auswanderungsplan energisch
gefördert und der Zwickauer Bürgermei»
ster, der Advocat Ma r b ach. war einer
der thätigsten Agenten desselben. Im
October 1888 schwamm der erste Zug
Stevhanistischer Emigranten über den
Ocean, bald folgte ihm ein zweiter;
nur Stephan selbst folgte ihnen noch
nickt, da er durch mißliche Angelegen-
heiten davon zurückgehalten wurde, denn
erstens war mit einem Male seine eigene
Pfarrgemeinde klaghaft gegen ihn auf«
getreten, dann aber lauteten die Aus-
sagen eines Dienstmädchens, daS einer
Versammlung im Weinberge Hoflößnitz
beigewohnt hatte, schwer gravirend gc>
gen ihn. Als aber bald darauf die Unter-
fuchung geschlossen wurde, verließ auch
Stephan am 30. October 1838 Dres«
den, wo er 28 Jahre als Seelsorger ge«
wirkt, und folgte seiner Heerde über daS
Meer. 700 Seelen segelten auf fünf
Scbiffen den zwei vorausgegangenen
nach; darunter befanden sich sechs Geist«
liche, zehn Candidaten und vier Schul«
lehrer. Eines der Schiffe mit 43 Aus-
Wanderern und 13 Kindern war auf der
Ueberfahrt spurlos verschwunden. Man
vermuthet, daß eS in Brand gerathen
und dann versunken sei. Nachdem die
Auswanderer in Amerika gelandet und
die ersten Anordnungen zu einer bleiben«
den Ansiedelung getroffen worden waren/
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon