Page - 2 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Volume 39
Image of the Page - 2 -
Text of the Page - 2 -
Stifft, Andreas (Schriftsteller) Stifft, Andreas (Schriftsteller)
»hatte der Sohn eine weiche, schwankende,
poetisch angelegte und zur Schwärmerei
neigende Seele. Es ist nicht ohne Be-
deutung, daß er schließlich an einer Ge-
Hirnkrankheit starb, und er scheint von
jeher an einer solchen gelitten zu haben
oder doch sein Gehirn von anormaler
Beschaffenheit gewesen zu sein." Eben
in jener Zeit, in welcher der zum Ein<
tritte in das öffentliche Leben mit allem
" Erforderlichen ausgerüstete junge Mann
seine vorerwähnte amtliche Thätigkeit
begann, also zu Anfang der Vierziger.
Jahre, wurde er durch die Vermitt-
lung seines Freundes, des damaligen
Cuftos der Gemälde»Galerie im Belve<
dere Ludwig Schnorr vonKarols
feld Dand XXXI, S. 33), der sich
selbst in Versuche und in das Studium
des animalischen Magnetismus vertieft
hatte, mit einer Dame, AnnaW
bekannt, welche als Hellseherin gar bald
die reizbare Phantasie des jungen Man»
nes vollends gefangen nahm. Schon
nach kurzer Zeit zeigte sich der machtige
Einfluß dieses Fräuleins auf ihn' ob»
gleich bedeutend älter als er, bestrickte
sie ihn vor Allem durch den geheimniß-
vollen Zauber ihres Hellsehens. „Von
der Zeit an, als S t i f f t «mit dieser
Dame in Verbindung trat. war sein
Dichten und Trachten im fortwährenden
Kampfe mit den Pflichten, welche ihm
Familie und Beruf auferlegten. Er stand
im Banne der Seherin wie durch unsicht«
bare Geisterhand gehalten, und seine
Verehrung für dieses nach seiner Ansicht
gottbegnadete Wesen nahm die Form
eines höheren Cultus an." Diese Ver»
ehrung währte, der Hellseherin Tod über»
dauernd, bis zu seinem letzten Athemzuge,
denn als sie wenige Jahre vor ihm starb,
riß ihr Hinscheiden eine gewaltige Lücke
in sein Lebcn und beschleunigte das Ende desselben. Ueber den Verkehr mit sei«
ner hellsehenden Freundin fanden sich
in seinem handschriftlichen Nachlasse die
ausführlichsten Aufzeichnungen, welche,
nach Jahren geordnet, die Zeit von
4841—1836 umfassen. Es kann nicht
die Aufgabe dieses Werkes sein, des
Näheren in den geheimnißvollen Rapport
dieser beiden gleichgestimmten Seelen
einzugehen. Nur im Allgemeinen sei hier
angedeutet, daß er ganz mystisch-theo-
logisch angehaucht ist, daß der Mutter»
gottes'Cultus und Christusglaube darin
eine nicht unwesentliche Rolle spielen; daß
der Verkehr Zwischen Beiden wirklich ein
rein geistiger war, und daß St i f f t
sich ganz unter der Botmäßigkeit des
mystischen Einflusses seiner Freundin be>
fand. Etliche Stellen aus jenen Aufzeich-
nungen mögen daS Vorgesagte betraft!«
gen. So schreibt er am 29. u. 30. Sep.
tember 1841: „Warum lebe ich nicht
im Mittelalter, wo der Duft der Frörn-
migkeit die Erde durchzog? ES ist von
tiefster Bedeutung, daß der Einzelne als
Pietist sich nicht glücklich fühlt, wenn
er ein großes Herz hat' daß ihm nur
ein Glaube, nur ein Cultus genügt,
den die Weisen theilen können." —
Ueber sein Verhältniß zur Seherin schreibt
S t i f f t am 17. Scptember 18N. und
er zählte damals erst 22 Jahre : M i r
wurde klar, wie Du in Deiner höheren
geistigen Kraft als Seherin Dicb an
Waria gebunden hast, um also daS
isterreich an Dick zu binden und mir
m irdischen Leben zu offenbaren, was
drüben sich entfaltet." — Ein anderes
Mal: ,Jedes andere Weib trägt mir
den schönen Leib als Signatur ihres
Ichs entgegen, in ihr aber spricht zuerst
der Geist und seine Gestalt." — Aus
diesen Tagebuchblcittern ist einerseits zu
entnehmen, daß er seine Freundin einmal
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon