Page - 17 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Volume 39
Image of the Page - 17 -
Text of the Page - 17 -
Stifter Stifter
Auch im Neune r'schen sogenannten
„Silbernen Caffeehaus", wo sich Alles
einfand, was Wien in jenen Tagen an
Esprit besaß, erschien S t i ft e r. der ebenso
selbst zu genießen als Andere an seinem
frischen geselligen W-esen theilnehmen zu
lassen verstand, als täglicher Gast. So
gingen die Jahre hin. und der Dichter
war noch immer ohne Staatsamt, son»
dern ertheilte nach wie vor Privatunter'
richt. Seine erste Liebe, die er im drit«
ten Bande des .Nachsommers" mit
aller Innigkeit und Gefühlswabrheit
schildert, hatte er, nachdem die Geliebte
eine andere Wahl getroffen, verwunden,
und da trieb daS Herz neue Blüthen:
„Der ersten Rose schneller Tod weckt sei«
ner Thränen Lauf, und dort, wo seine
Thräne fiel. blüh'n neue Rosen auf".
Ein Hausball, ein paar vergessene Ueber»
schuhe vermitteln die alte einfache Ge»
schichte. die fich schließlich in eine Hei-
rat auflöste und des Dichters ehe»
liches und hausliches Glück begründete.
DaS Mädchen seiner Wahl A m a l i e
war die Tochter eines in Ungarn im
Ruhestand lebenden Artillerie «Officiers,
Namens Mohaupt . Schon als S t i f-
ter fich mit dem Gedanken trug, daS
Weib seiner ersten Liebe zum Altare zu
führen, hatte er die Absicht, sich um eine
Anstellung zu bewerben. Als dann die
Sache einen unerwarteten AuSgang
nahm. fühlte er keine Veranlassung, seine
bisherige Freiheit aufzugeben, und sehte
seine Unterrichtsstunden fort; aber als
das Verhältniß mi iAmal ien sich ent«
spann, erwachten seine alten Absichten.
Er bewarb sich um eine Professur an der
Forstlehr-Anstalt in Maria-Brunn nächst
Wien und harrte mit jedem Tage der
Entscheidung entgegen. Inzwischen wurde
daS Verhältniß A m a l i e n S zu ihren
Verwandten in Wien. bei denen sie bis dahin gelebt hatte, immer mißlicher, und
um der Sacke ein Ende zu machen, schritt
man, noch ehe eine Entscheidung in der
Bewerbung um die Professur erstoß, zur
Heirat, zu welcher St i f te r von Ama<
liens Vater, der in MiSkolcz lebte,
bereits die Einwilligung erhalten. Am
15. November 1837 ließ sich St i f te r
in der Augustinerkirche der Vorstadt
Landstraße mit A m a l i e M o h a u p t
trauen. Traurig aber gestaltete sich das
erste Jahr der Ehe. in welches nur
ein echtes Dichtergemülh, wie eS das
S t i f t e r ' s war. mit so viel Selbst»
beherrschung sich fügen konnte: St i f te r
selbst erkrankte an einem Fußleiden, das
ihn den ganzen Winter über ans Bett
fesselte; die Professur in Maria'Nrunn
war anderweit vergeben worden; sei«
ner Gattin Schwester, welche daS junge
Ehepaar nach der Heirat zu sich ins
HauS genommen, war bald danach
e'krankl und gestorben; A m a l i e n s
Vater wurde vom Tode ereilt, als er eben
im Begriffe stand, nach Wien zu seiner
Tochter zu übersiedeln, die auS diesem
Anlasse bereits eine größere Wohnung
genommen; die Erbschaftsangelegenhei»
ten waren derart verwickelt, daß man,
um langwierige Processe zu vermeiden,
die ganze Angelegenheit lieber fallen
ließ und natürlich dabei nicht geringe
Verluste erlitt. DaS war daS Flitter-
wochenjahr St i f ter 's. Als aber alles
Ungemach, so weit es in Mensch enmacbt
lag. bei Seite geschoben, stellte sich
der Dichter auf eigene Füße, er gab
so wie bisher seine Lehrstunden und
schrieb sich allen Lebensjammer mit sei»
nen Dichtungm. von deren Dasein kein
Mensch etwas ahnte, hinweg. Erst ein
Zufall sollte den geheimen Dichter ent'
decken. An einem Frühlingstage 184l>.
hatte S t i f t e r ein paar Stunden im
u. Wurzbach, biogr. Lerikon. XXXIX. ^Gedr. 2. März is79.)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon