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) Johann Ludwig 158 ) Johann Ludwig
waren reichlich vorhanden, denn sein
Vater hatte ihm das ansehnliche Ver
mögen von 200.000 st. hinterlassen, wo
durch der junge S t o l l sich in der Lage
befand, ein Uebriges für seine physische
und geistige Ausbildung zu thun. Sein
Erzieher, ein emigrirter Abb6 Namens
S t a ß . fügte sich leider den Launen des
talentbegabten Zöglings nur zu leicht.
Der junge S to l l wollte zunächst reisen,
mit welchem Plane sein Mentor sich ganz
einverstanden erklärte, aber dieses Project
blieb, so lange das Vermögen dem Erben
nicht ausgefolgt war, unausführbar.
Endlich ward dieses Hinderniß beseitigt,
und der junge S t ol l hatte über sein Erbe
zu verfügen. Wie es geschehen konnte,
daß der feurige, genußsüchtige und uner«
fahrene minderjährige Jüngling, der
den Werth des Geldes gar nicht zu wür>
digen verstand, uneingeschränkter Herr
seines Vermögens wurde und über das«
selbe nach seinen Launen und nicht nach
den Bedürfnissen eines geregelten Lebens»
ganges, die er bei so schönen Einkünften
immer noch glanzend befriedigen konnte,
verfügte, ist noch unaufgeklärt. Mit
seinem nachgiebigen Mentor durchzog
er Italien. Frankreich, Belgien, Eng-
land, Deutschland, stürzte sich überall
kopfüber in den Strudel der Genüsse
und warf das Geld mit vollen Händen
hinaus. So waren nach wenigen Iah«
ren zwei Drittheile des ansehnlichen
Erbes vergeudet. Aus einer Mitthei.
lung des alten Iustinus K e i n e r ,
der 1809 längere Zeit in Wien ver»
weilt und viel mit S t o l l verkehrt
hatte, erfährt man, daß dieser um
das Jahr 1798 sich in Berlin aufgehal-
ten, um Fichte zu hören. Ein eigent-
liches Brodstudium habe er nie betrie«
ben, hingegen in Sprachen und philoso»
phischen Studien sich ernstlich auSgebil« det. Von Berlin sei er nach England
gegangen und habe in London mit
Schauspielern in leichtem Iugendsinne,
oder richtiger jugendlichem Leichtsinne,
den größten Theil seines Vermögens
durchgebracht. Von London nach Deutsch,
land zurückgekehrt, habe er in Weimar,
wo er den ihm befreundeten Falk vorge»
funden, mit dem kleinen Reste seines Ver-
mögenS als Privatgelehrter sich nieder«
gelassen. Hier lernte er Leo von S e ck e n»
dorf sBd. XXXII I , S. 268), den jungen
Feuergeift kennen, der spater als Land»
wehr.Hauptmann in der österreichischen
Armee bei Ebelsberg (6. Mai 1809) den
Heldentod fand. Seckendor f , der
mittlerweile nach Wien gegangen war,
um seinen kranken Bruder zu pflegen,
nahm daselbst seinen bleibenden Aufent«
halt. S to l l zog ihm in einiger Zeit
mit den Trümmern seines Vermögens
nach. Da er, der bisher qanz seinen
Launen gelebt, sich nicht für eine be»
stimmte Laufbahn entscheiden konnte, so
privatifirte er und verband sich dann
mit Seckendo r f zur Herausgabe
einer Zeitschrift „Prometheus", in wel>
cher schon die im Denken, Fühlen und
Leben stets widerstrebenden Elemente
Oesterreichs Norddeutschland näherge-
bracht und befreundet werden sollten.
Durch die auf seinen Reisen gemachten
Bekanntschaften gelang es ihm. gute
Namen für sein Unternehmen zu gewin-
nen, unter Anderem erschien auch Goe»
the'S Festspiel .Pandora'S Wiederkunft"
im 4. und 2. Hefte deS „Prometheus".
Bis zum Jahre 4808 kamen davon
sechs Hefte heraus, die Fortsetzung unter«
blieb des bevorstehenden Krieges wegen.
Seckendorf, kampfeSmuthig. wie ec
war, zog in denselben und kehrte nicht
wieder. S t o l l blieb zurück und wurde
von der Nachricht des Heldentodes seines
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon