Page - 232 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Stifft-Streel, Volume 39
Image of the Page - 232 -
Text of the Page - 232 -
Strambio 232 Strampfer
und auch hier brach sich sein Hlimanig.
mus Bahn, zu einer Zeit. wo man die
Irren mehr als vernunstlose Thiere,
denn als vernunftgetrübte Menschen be-
trachtete und demgemäß behandelte. Er
forderte in seinen Bericbten und Anträ»
gen an die Regierung dringend den
Bau eines neuen Irrenhauses an Stelle
der Senavra. von welcher er bis in
die Einzelheiten hinein nachwies, wie
mangelhaft sie in den Grundbedingun.
gen einer dem schwerst leidenden Theile
der Menschheit gewidmeten Anstalt sei.
Er forderte eine solche, gelegen in land»
licher Gegend, in gesunder Luft. in an«
genehmer, das Auge erfreuender Lage,
mit reichlichem Wafferzufluß, mit großen
licht- und luftreichen wohnlichen, behag»
lich eingerichteten Näumen. mit Garten-
anlagen, mit Plätzen, geeignet zu man-
mgfachen Verrichtungen, daneben aber
eine ganz neue. man möchte sagen:
moralische Heilmethode. Man sieht,
S t r a m b i o nahm mit seinen Prin«
cipien in der psychiatrischen BeHand-
ümg der Geisteskranken einen Stand-
punct ein. welcher fich erst ein halbes
Jahrhundert später Bahn zu brechen
und festen Boden zu gewinnen begann.
Er schrieb in einer seiner Abhandlungen
die denkwürdigen Worte: „WaS sollen
alle diese gepriesenen Heilarten, die Ab-
schwächungsmethode, die Reizmittel und
alles Andere, was die medicinische Mode
erfunden hat. wenn der Arzt es nicht
versteht, mit moralischen Hilfsmitteln
die Seele zu heilen. Der Arzt wäre
doch wahrhaft lächerlich, welcher in der
Pharmazie ein Mittel finden wollte für
Jenen, dessen Geist durch versagte Liebe,
durck gezwungene Ehelosigkeit oder durck
VermögenSverluft getrübt worden". So
hatte sich St rambio bereits auf jenen
Standpunct in der Psychiatrie empor- geschwungen, der heute siegreich gegen
alle Anhanger der alten Zwangsmittel«
theorie behauptet wird. Neben diesen
beiden Hauptrichtungen seines medici»
nischen Wirkens, welche im Vorstehen-
den gezeichnet wurden. war er sonst
noch in seinem Fache praktisch und theo-
retisch thätig; er veröffentlichte in letz-
terer Beziehung verschiedene Abhand»
lungen in Fachblättern, u. a. über eine
in den Jahren 1796/96 ausgebrockene
Viehseuche. deren Ansteckbarkeit und
pathologiscken Charakter er gründlich
erörterte; über das Wesen und die
Bedeutung der Fieber; über Affectio»
nen des Gehirns und den Kreis ihrer
Ausdehnung im Hinblick auf ihren
Ursprung, und mehrere andere. So
entwickelte S t r a m b i o bis in sein
hohes Alter eine segensreiche Thätigkeit.
Seine Hauptarbeit aber bleibt immer
die Untersuchung über Wesen, Erschei»
nungen und Heilung der Pellagra, und
sein Sohn Johann wahrte das Anden-
ken des VaterS und der Hauptarbeit des«
selben, indem er dessen Ansichten und Leh»
ren in der unter dem Titel:
ng.tu.r2., Lsäs äslla koilk^r
äa.i libri äi OaktHNO Zt ramdio ftli-
lano 1824) LocLÄ) 8«.) herausgegebe-
nen Dissertation zusammenfaßte. Eine
deutsche Uebersehung erschien unter dem
Titel: „Abhandlimg über das Pellagra;
auS dem Italienischen mit Zusätzen aus
A l l i on i's neuester Schrift und An°
merkungen von K. Chr. Weigel" (Leip.
zig 1796 ^Joachim). 8".).
<?«5tlMaw! ^SHHT»^, 8u.' i l i tol i kä UU3,
tunto vottore» ftaetauo stramdio. I'ki'ol«
äsl Dottor üsieo (Hlilkno l857, Ows.
sr. 8".).
Strampfer, Friedrich (Schauspie,
ler mid Theaterdi rector , geb. zu
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon