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Stranitzky 243
Franz und Domin ik Stranitzky, Iu»
l iana Schledl und Franziska Scha»
ranzky, beide geborene Stranitzky, fiel,
welche es um 1760 dem Abte von Klein«
mariazell verkauften. Nach Aufhebung dieseS
Stiftes l?«2 kam es dem Stifte Melk, i785
j?nem zu Kremsmünster zur Administration
zu. 1798 ging es an die niederösterreichische
Staatsgüter-Administration über, welche hier
ihren Sitz nahm, wie nach deren 1831 erfolg«
ter Vereinigung mit der Camera!«Gefallen-
Verwaltung die t. k. Lotto.Direction. deren
Amtsgebäude das Haus noch dermalen ist."
Außer diesem Haufe besaß aber S. noch ein
großes Gebäude in Gumpendorf.
V. Urtheile über Stranitzky. Den Literatur.
Historikern ist Stranitzky fast völlig fremd
geblieben. Nur Menzel und Heinrich Kurz
wiomen ihm einige Zeilen. Heinrich Laube
nennt nicht einmal seinen Namen. Und
doch ist Stranitzky eine so bedeutende
Erscheinung, daß selbst Fremde, wenn ste
Wien besuchen, Notiz von ihm nehmen, ob
tadelnd, ob lobend, daä kommt hier weiter
nicht in Betracht. Die zartnervige Lady
Montague, welche während ihres Besuchs
in Wien im Jahre 1716 der Darstellung der
Geschichte des Amphitruo beiwohnte, fand
wohl „das Stück nicht nur mit unanständigen
Ausdrücken, sondern auch mit solchen Grob-
heiten gespickt, welche der britische Pöbel
nicht einmal einem Marktschreier verzeihen
würde". Nun. ohne Stranitzky und seinen
Possen daS Wort reden zu wollen, meinen
wir doch, es sei aller Welt bekannt, daß
der englische Pöbel, allen Pöbels Pöbel,
in den Matrosenkneipen noch heut zu Tage
viel Schlimmeres zu hören bekommt, als
von St ran ihky der Wiener Pöbel vor
hundert Jahren. Also der Entrüstungsschrei
der Lady ist hier am unrechten Platze und
an die unrechte Adresse gerichtet. — Die
„Chronologie des deutschen Theaters", ein
mit klarem Blicke und großer Sachlenntniß
geschriebenes Buch, urtheilte ruhiger und
richtiger. „Weil die italienischen Komödian-
ten zur Zeit, alS Stranitzky in Wien zum
ersten Male auftrat, das Terrain beherrsch«
len, wollte derselbe", so schreibt die „Chro.
nologie", „ihr Buffontheater, ganz natio.
nalisiren und ward dadurch der. Vater der
deutschen Hanswurste. Hans war in Action
und Kleidung die Caricatur des italienischen
Harlekin. Pöbelhafte Scherze, tölpischer Witz, Stranitzky
alberne Einfälle, unsinnige Possen, schmutzige
Zoten, alles dies von einer öffentlichen
Bühne herunter zu sagen, dazu gab ihm und
seinen Nachfolgern Hut und Pritsche das
Privilegium. Stranitzky erhöhte den Reiz
seiner Scherze durch den Gebrauch des Salz«
burger und bayrischen Dialektes, welcher sür
Wiener Zuschauer an und für sich schon viel
Lächerliches hatte Von den Schauspielern
des Stranitzky ist nur ein gewisser Bö»
nicke bekannt, der sich im Komischen hervor«
that. Eine Kleinigkeit von ihm, sein Sprich»
wort: „Das Theater ist so heilig wie .der
Altar und die Probe wie die Sakristey (!!!)",
würde ich nicht anführen, wenn sie nicht
bewiese, wie ehrwürdig ehemals den Schau»
spielern ihre Profession gewesen sei". —
Menzel schreibt: „Stranitzky brachte
wieder fröhliches Leben und einen lustigen
Volkston auf die Bretter, indem er die
Komödien des märchenhaften Gozzi aus
Italien nach Wien verpflanzte und daselbst
das liebenswürdige Leopoldstädter Theater (?)
gründete, das bis auf diese Stunde, nun
schon über hundert Jahre lang, seinem volks«
thümlichen Charakter treu geblieben ist, ihm
aber eben nur treu bleiben konnte, sofern es
sich in einer niederen Sphäre hielt". Und
an einer anderen Stelle schreibt Menze l :
„Man dürfe Stranitzky — den er neben
Abraham von Sancta Clara stellt —
nicht vergessen, der ebenfalls in Wien und
ebenfalls humoristisch wirkte, obwohl nicht
von der Kanzel, sondern von der Bühne
herab. Er war der berühmteste Schauspieler
seiner Zeit und führte 1708 das erste
deutsche Theater in Wien ein. Seine
glückliche Mischung des altdeutschen märchen«
haften Fastnachtsspiels mit der italienischen,
durch Gozzi veredelten Poesie sagte und
sagt dem heiteren Charakter der Oesterreicher
besonders zu und war bei weitem den klag«
lichen französischen Antiken Lohen ste in's
vorzuziehen, obgleich Stranitzty keines
wcgs zur Höhe des Andreas Gcyphius
sich erhob". — Was Heinrich Kurz über ihn
schreibt, unterscheidet sich nicht von dem eben
angeführten Urtheile Menzel's. — Der
ernste Schlager selbst kann nicht umhin,
zu bemerken, „daß die unerschöpfliche Laune
seines genialen, aus dem Leben gegriffenen
Improvisirens jedes Stück hob und ihn zum
ausschließlichen Liebling des Theaters machte,
welches er bis nahe an sein Lebensende nicht
verließ". Freilich würde daS, was für jene
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon