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Straschiripka 262 Str aschirifka
ebenso sehr fürs repräsentative Bildniß. al
Lembach fürs intime; auch ist seine Färb,
nur in der Carnation der Lembach's voll
kommen ebenbürtig, ja vielleicht noch indi
vidueller, Gewänder und Hintergrund bleibei
weit hinter dem coloristischen Reiz, deni
genialen Vortrag zurück, den der Letzter«
diesen Dingen zu geben versteht. So kan
man z. B. um seine Dame allerdings nich
herumgehen, wie bei Lembach, der ein
Meister des Helldunkels ist, weil sich ihr
Kopf nicht recht vom Hintergrunde trennt.
Vermag man nun in jedem Bilde des 3?tz«
teren den inneren Zusammenhang mit seinem
Autor selber genau nachzuweisen, so wird
mir das bei Canon's bezaubernder Schö»
pfung sehr viel schwerer, weil ich seinen
Lebensgang viel weniger kenne und er dem
zu widersprechen scheint, was ich von seinei
Persönlichkeit weiß. Selbst dieses Wenige ist
aber wo möglich noch interessanter als be
dem Münchener Meister. Aus Böhmen stam<
mend, ich weiß nicht, ob öeche oder Jude
oder beides, kommt er zum Militär und
bringt es rasch zum Artillerie<Unterofsicier,
weshalb ?r sich denn auch spater den Namen
Canon beilegt. Voll Geist, leichter Auf.
fassungskraft und fast unglaublicher Suada,
dabei von einem kühnen, überwältigenden,
umgreifenden, wahrhaft uulcanischen Wesen,
eignet er sich selbst in dieser untergeordneten
Sphäre rasch eine ganz ungewöhnliche Bil
düng und Belesenheit, die vollkommenste
Beherrschung der deutschen Sprache an. Tr
vermehrt beide, als er, befreit vom Militär,
es endlich dazu bringt, in die Rahl'sche
Schule zu kommen, noch durch den Umgang
mit diesem so hochgebildeten Künstler. Gleich
seine ersten Leistungen erregen großes Auf-
sehen und er selber noch mehr durch alle
möglichen Abenteuer, in die ihn sein heftiges
und vordringendes Temperament überall oer'
Wickelt, Canon bei sich sehen, hieß ungefähr
dasselbe, als einen Orcan bei sich zu Gaste
laden — jetzt mag er sich wohl ausgetobt
haben. So machte er sich denn in Wien
durch Händel, Duelle, Schulden. Liebesaben«
teuer und was weiß ich was, bald ebenso
bekannt als gefährlich, wenn nur die Hälfte
Kavon wahr ist, was man dort seinerzeit
darüber hörte. Nur über sein Genie war alle
Welt. feldst seine Feinde — Freunde waren
nicht zu treffen — einig. Er zog also nach
Deutschland, erst nach München, wo ich ihn
aber nur einmal in meinem Leben sprach und von dieser verheerenden Fluth beinahe
weggeschwemmt worden wäre. Von da brauste
er nach Karlsruhe, dessen stille Milch frommer
Denkart er im Handumdrehen in gährend
Drachengift verwandelte; zog verwüstend in
der Umgegend umher und warf dann, nach
jahrelangem Aufenthalte es verlassend, als
wanderndes Pulverfaß die Stuttgarter Kunst»
welt über den Haufen. Nun scheint aber
unter der schwäbischen HaNköpsigkeit dieser
schäumende Most sich doch wie Goethe's
„Baccalaureus" allmälig zum feurigsten
Wein abgeklärt zu haben, nachdem er so
lange in der Welt herumgefahren. Denn
hatte er schon in Wien die tresslichsten Por-
träte geliefert, so malte er in Karlsruhe als
leidenschaftlicher Jäger auch Iagdstücke, dann
Fresken, Historienbilder, Landschaften, kurz
alles Mögliche, hatte schon auf der Ausstel-
lung von l869 hier (in München) uns durch
eines der reizendsten Frauenbilder überrascht,
kurz er zeigte eine ebenso groß« Versatilität
als Reichthum des Talentes, vor Allem
aber eine Leichtigkeit, sich in alle möglichen
Stylformen und Manieren hineinzufinden,
die Einem fast unmöglich gemacht hätte,
seine eigene Persönlichkeit zu erkennen, wenn
er nicht in Allem breit und großartig geblieben,
nie mager, schwächlich oder kleinlich gewor«
den wäre. So hatte er für die Wiener Welt.
ausstellung auS Stuttgart ein großes, in
seiner Art vortreffliches, streng stylisirtes
religiöses Bild. welches in Form eines Altar»
blattes die Toleranz predigen sollte, gelie.
fert, das an Rubens, wie das heutige
Porträt an Van Dyk erinnerte. Nebenbei
hatte er halb Stuttgart gemalt. Daß für
diese glanzend reiche, expansive Künstlernatur
am Nesenbach kein Schauplatz sei. war son-
nenklar, und so finden wir ihn denn auch
seit längerer Zeit in Wien als einen der
ersten Porträtmaler mit Recht gefeiert wieder.
lPecht (Fr.), Aus dem Münchener Glas.
palast. Studien zur Orientirung in und
außer demselben während der Kunst» und
Kunstindustrie. Ausstellung des Jahres 1876
(Stuttgart t876, Eotta, 8») S 82 u. f.)
V. Nucllen zur ViograMe. Mi t the i lun-
gen der Gesellschaft für vervielfältigende
Kunst (Leipzig, Seemann, 4<>.) I I . Jahrg.
(ls?3). Nr. t glommt daselbst als Al f red
von Straschiripka vor). — Neue il lu»
strirte Zei tung. Redigirt von Johannes
Nordmann (Wien, Zamarski, kl. Fol.)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stifft-Streel, Volume 39
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stifft-Streel
- Volume
- 39
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 400
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon