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Szeniere, Bartholomäus i
vergessen und a.ä aota. gelegt waren.
Die Szemere'schen Ministerial'Ver»
ordnungen, die, obgleich kundgemacht,
nie ausgeführt wurden, waren nicht Ge»
setze, sondern journalistische Stylproben.
Die liberale Presse hatte ihn zum Stich-
blatt genommen. Ein thatenloser Feder-
held hieß: „ s s s m s r o tadiadiro
märn", und von einem Aufsatze, den die
Redaction seines schwülstigen StyleS
wegen tadelte oder zurückwies, sagte
man: „Er müsse aus dem Ministerium
des Innern kommen". Je verworrener
aber die Zustände wurden, je mehr sich
K o s s u t h dem Moment seines Va.
danqns näherte, um so mehr umgarnte
er Szemere und riß ihn mit sich fort.
Mit dem Rücktritte des Ministeriums
Bat thyany am 10. September l848
ging die ganze Exekutivgewalt in die
Hände des Landesvertheidigungs - Aus-
schuffes über. Szemere entwickelte als
Mitglied desselben eine unermüdliche
Thätigkeit. Mit M a d a r a s z und
Nyäry bildete er das Triumvirat, das
unter Kossuth's Führung die Schick«
sale des Landes mit allmächtiger, aber
verderbenbringender Macht leitete. Als
nach dem in Olmütz vollzogenen Thron«
wechsel gegen Mitte December das zweite
Ministerium zusammentrat, übernahm
Szem ere das Iustizportefeuille. Sze-
mere nach DeHk! Es klingt fast wie
Ironie. Aber die Situation hatte sich
ganz zu Szemere's Gunsten gestaltet,
er war damals allein von allen Mini-
stern übrig geblieben. Der rothe Ma»
darasz wurde der scandalösen Dia»
mantengeschichre wegen aus der Regie-
rung und dem Parlament gestoßen;
Nyäry , welcher immer zur Mäßigung
und zu friedlichem Ausgleich gerathen,
nedstdem der Unabhängigkeitserklärung
offen widersprochen hatte, war miß. ) Bartholomäus
liebig geworden, Eötvös weilte außer
Landes. Szochenyi befand stch in der
Döblinger Irrenanstalt, K lauzal war
zurückgetreten, Bat thyäny und Karo»
lyi saßen gefangen, also nur Szemere
noch stand auf dem Platz?. Nach Pro-
clamirung der Republik in Debreczin
suchte Szemere als Conseilspräsident
und Minister des Innern den üblen Ein»
druck seines ersten ministeriellen Debüts
zu verwischen. Bemerkenswerth ist seine
Rede in der Debrecziner Sitzung vom
2. Mai 1849, in welcher er die Politik
feines Ministeriums, also sein Programm
entwickelte, das wenigstens an Offenheit
nichts zu wünschen übrig läßt. „Meine
Herren!" sprach er damals, „Das Mini»
sterium tritt mündlich mit keinem langen
Programm auf. Drei Punkte jedoch
müssen gehört werden. Erstens: Das
Minister ium bekenntsichalseine
revolut ionäre Regierung. Eben
darum schreckt es unter seiner Verant«
wortlichkeit vor keinem Mittel zurück,
vor keinem, welches die Rettung des
Vaterlandes beansprucht. Mit der Wieder«
kehr des Friedens hört es auf, eine revo»
lutionäre Regierung zu sein; außer«
ordentliche Maßregeln ohne äußerste
Nothwendigkeit sind eine bürgerliche
Todsünde. Zweitens: DaS Ministe»
r ium bekennt sich zur republika»
nischen Richtung. Feind der Mon»
archie, bleibt es auch feind jener Art
Republik, die über das Gemeindesystem,
das Familienleben und die Organisirung
der Arbeit hinaus „Eigenthum sei Dieb-
stahl" predigt. Es will — so Gott eS
fügt — eine Republik, die mehr be-
glücken als glänzen soll. Drittens: DaS
Minister! um b ekennt sich zur de-
mokra tischen Richtung. Es will
und wird seine Gesetze im demokratischen
Geiste formuliren. Es adoptirt das
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Volume 42
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Szedler-Taasse
- Volume
- 42
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1880
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 356
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon