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Aentpetery, Sigmund 107 y) Sigmund
gann für den jungen Mann jenes wüste
Wanderleben, welckes ihn einerseits in
alle Mysterien des Lebens fahrender
Künstler einweihte, ihn alles Ungemach,
allerlei Entbehrungen, Demüthigungen
und Unfälle ertragen lehrte, andererseits
aber auch seine Schule wurde, aus
welcher er um den PreiS namenloser
Entsagungen als daS hervorgehen sollte,
was er zuletzt in Wirklichkeit war, ein
großer Künstler. Man mußte ihn, als er
bereits neben Egressy »Zd. IV, S. 4).
3 en d v ay ^Bd. XIV, S. 334^,
Fancsy »Bd. IV, S. 142^. S; i -
gethi und Szig l iget i ss. d. in diesem
Bandes li. A. zu den Zierden der un»
garischen Nationalbühne zahlte, im trau»
lichen Freundeskreise von seinen Künstler»
fahrten plaudern hören, wie er alles
über sich ergehen ließ, sein Ziel nicht
aus den Augen verlierend, und mann»
lich die unabsichtlichen Kränkungen ver-
wand, an denen eS dann und wann nicht
fehlte. So spielte er denn gleich zu Be«
ginn seiner Künstlerlaufbahn in Kecs-
kemöt, wo er sich im Besitze einer rothen
Hose befand, die ihm wohl nicht durch
ihre auffallende Farbe, denn rothes Ge-
wand trug man in Ungarn zu jener Zeit
hausig, sondern aus dem Grunde, daß
es die einzige war, die er besaß, zu»
weilen fatal wurde. Vor der Vorsiel«
lung. in welcher er bei der mangelhaften
Theatergarderobe in seiner Rothen aus-
treien mußte, begab er sich öfter in eine
Kneipe, in der stck die Ofsiciere der in
der Umgebung stationirten Truppen
gleichfalls einzufinden pfiegten. Ein ge«
müthlicher Huszarenoberst, dem Szent-
Vötery's rothes Beinkleid eines Abends
zu sehr in die Augen stach, fragte den
Schauspieler: „Was hat denn die rothe
Hose heute zu bedeuten?" Ohne in Ver-
legenheit zu gerathen, erwiderte dieser: „Ich habe heute Abends einen General
darzustellen und deshalb die rothe Hose
gleich anbehalten". Als er aber einige
Tage spater wieder in derselben erschien,
rief ihm dcr Oberst schon von weitem
zu: »Ach, Ihr seid heute wohl wieder
ein General?" Szentpöte iy aber
entgegnete, daß er heute zwar keinen Ge«
neral, aber einen ungarischen Helden
spiele und deshalb diese Hose trage.
Jedoch am nächsten Tage trat Szent»
pötery wieder mit seiner rothen —
einzigen — Hofe in die Kneipe. .Ei
zum Teufel!" rief der Oberst, dem
Schauspieler auf die Schuller klopfend:
„Ihr seid ja heute schon wieder ein Ge-
neral oder ein Held". Szentpötery'6
Antwort war eine Thräne, welche aber
der gemüthliche Oberst verstand, und
dem Spaße ein Ende machend, rief er
ihm zu: „Nun, nun, Ihr müßt die Sache
nicht gleich so ernst nehmen, arm fein",
setzte er binzu. „ist keine Schande. Ihr
habt blos ein Kleid, und doch sehe icd
! auf dem Theater jedesmal einen anderen
Menschen in Euch, und ich kenne Schau-
spieler. die zehn Beinkleider haben, auf
der Bühne aber ewig dieselben sind". Eine
so einfache, doch vielsagende Kritik ließ
den angehenden Künstler das ihm wider-
fahrene Weh verschmerzen und weckte
nur seinen Muth. auf dem betretenen
Pfade auszuharren, und er harne aus.
Viele Jahre wanderte er auf allen denk-
baren Schmieren. Winkel« und besseren
Bühnen umher, ihn kannten alle fahren«
den Künstler Ungarns, wie er sie alle
kannte, mit denen er ja gemeinschaftlich
Leid und Freud' getheilt hatte. Aber
unter allen Umständen hatte er sich eine
achtunggebietende Stellung zu erringen
verstanden, eben die Flamme der Kunst,
die in ihm glühte, ließ ihn nie sin-
ken auf jenes Niveau herab, das im
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Volume 42
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Szedler-Taasse
- Volume
- 42
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1880
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 356
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon