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) Stephan 143 SzerencZy. Stephan
merkwĂĽrdigste Gegenstand liegt vor uns:
die Frage der Nationalität. Ick fühle mich
verpflichtet, hierĂĽber meine Ansicht auszu<
sprechen, meine gut gemeinten Rathschläge
zu ertheilen. Dies ist meine Pflicht als
Ungar und als Präsident dieser Tafel. Die
Meinungen sprechen sich hauptsächlich in
zwei entgegengesetzten Richtungen aus. Einige
glauben, wir wollten durch unsere Nationa«
lität andere Völker unterdtücken, Andere
wieder, daß unsere Nationalität gewaltsam
unterdrĂĽckt wird. Beide Ansichten sind
falsch. Die Nationalität ist die höchste Idee
im Leben eines Volkes, von ihr erwartet
es Glück und Wohlsein. Die Nationalität
zu erhalten, ist noch mehr als Pflicht, sie
ist die Bedingung des Daseins eines Voltes.
Mögen Sie hieraus schließen, wie sehr sie
mir am Herzen liegt. Doch ĂĽberall gibt es
Extreme, UebersprĂĽnge, die ihrer Natur
nach von keinem Bestände sind. Auch die
Idee der Nationalität scheint heutzutage
auf die' Spitze getrieben zu sein, eine Idee.
die nicht im intellectuellen und materiellen
Leben der Völker fest begründet ist. sondern
als Steckenpferd der heutigen Mode prunkt.
Solche Modeideen tauchten in den letzten
vierzig Jahren öfters in Europa auf. indeß
sie ebenso schnell wieder verschwanden; ich
erinnere z. B. an die kosmopolitischen
Extravaganzen. Die nationalen Eifersüchte«
leien scheinen ibren Ursprung daher zu
nehmen, weil die Völker durch die nationa»
len Bestrebungen näher an einander gerückt,
von dem Schreckbilde ergriffen werden, als
wäre eben hierdurch ihre Nationalität, ihre
Selbständigkeit gefährdet. Doch das ist
eitler Wahn". Nun gibt Szeren csy einige
Erläuterungen aus der Geschichte und ent»
wickelt seine Ansicht ĂĽber die Vortheile einer
allmäligen Reform, mit dem Ausdrucke
seiner vollen Ueberzeugung schlieĂźend, daĂź
der am 20. Juni gefaĂźte BeschluĂź, infolge
dessen die croatischen Deputirten ungarisch
zu sprechen bemĂĽssigt wĂĽrden, in seinen
Augen ungesetzlich sei. Er rathe, den Streit
auf gesetzlichem Wege zu schlichten und da»
nach das königliche Rescnpt anzunehmen,
oder, wenn die Kammer trotz alleoem bei
ihrem Beschlusse vom 20. Juni beharre,
mindestens jetzt die croatischen Deputirten
sprechen zu lassen. Szerencsy hatte seine
Rede kaum geendet, als von den Tischen
der Deputirten ein beinahe einstimmiges
„Nki-aHon'."» was auf deutsch bedeutet: „es
v. WĂĽrzbach. biogr. Lerikon. XI. I I . ^Ged solle bei dem Beschlusse bleiben", erscholl.
Nun ergriff der croatische Abgeordnete Karl
Klobucharich ^Bd. XI I , S. !08) das
Wort. Kaum aber hatte er die erste Sylde
gesprochen, so sprangen von allen Seiten
die Deputirten auf, ihm laut zurufend:
„ungarisch"! — Er versuchte lateinisch fort
zusprechen, viele Deputirten rufen und reden
dazwischen, viele andere ergreifen zugleich
das Wort. wodurch einzelne Stimmen ver«
ballen. Aus Allem stellt sich zuvörderst her.
aus, daĂź die Opposition die Aufrechthaltung
des Beschlusses vom 20. Juni fordere, wo»
nach im Parlamentsfaale nur ungarisch ge.
sprochen werden dürfe. — Der Personal er.
innert, daĂź die Reihe des Sprechens an
dem Deputirten von Croatien sei. man möge
ihm das Wort gestatten. — „Nein. nein,
er spreche ungarisch!" ertönte es von allen
Seiten. — Klobucharich begann von
neuem zu sprechen, man fiel ihm ins Wort.
Der 3ärm nimmt zu, Viele wollen reden,
Viele schreien, und diejenigen, welche die
Ruhe herzustellen suchen, machen, wie ge.
wohnlich, den größten Lärm. Da übertönt
die Stimme Eugen B e ö t h y's ^Bd. I>
S. 286) alle anderen: „Ich fordere den
Präsidenten feierlichst auf, den Belchluß oom
20. Juni aufrecht zu erhalten!" — Klo du«
charich will ihn unterbrechen, Beöthy
schreit diesem zu: „Ich werde sehen, wer
mich hier hindern wird. ungarisch zu spie,
chen." Mit groĂźer Anstrengung kam endlich
der Personal zum Wort: „Man verlangt,
ich soll den BeschluĂź vom 20. Juni aufrecht
erhalten" (Ja, ja!). Szerencsy wendet
sich nun zu dem croatischen Deputirten:
„Sie sehen, die Tafel will Sie nicht an«
hören" (Nein. nein!), „ich fordere Sie also
auf. dem Wunsch der Tafel nachzugeben.
Geben Sie nach, inwiefern Ihr Gewissen
und Ihre Instruction es Ihnen gestatten
(sich zu dem Deputirten wendend) und mehr
kann, mehr darf ich nicht thun. Das Gesetz
verbietet es, und dieses bin ich als Voll»
strecker desselben zu achten verpflichtet". (Sich
neuerdings zu dem Croaten wendend) „Ich
fordere Sie nochmals auf, mehr kann ich
nicht". — Klobuchacich beginnt von
Neuem lateinisch zu sprechen. Die Emeuie
ist im vollen Gange; mehrere Deputirte
drohen. Franz K u b i n y i lBd. XI I I ,
S. 230, Nr. l) zeigt nach der Thür. wäh.
rend der Personal beständig ruft: „Hören
Sie den Deputirten von Crcatien!" —
12. Oct. l880.j <0
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Volume 42
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Szedler-Taasse
- Volume
- 42
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1880
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 356
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon