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Komische. Die Verbältnisse und die Stim»
mung der Zeit, die dem Volköthümlichen
zustrebende Bewegung in der ungarischen
Literatur kamen diesen Eigenthümlichkeiten
seines Talents fördernd entgegen. Fast feit
dem Bestände des ungarischen Theaters ge>
hörten die Wiener Possen zu dessen Reper«
toire. Schon die erste. 1790 gegründete un«
galische Schauspielergesellschaft führte, am
6. Mai 1793 zum ersten Male. die Oper
„Prinz Schundi und Eva Kathel" in einer
freien Bearbeitung als Singspiel unter dem
Titel „Prinz Pifka und Tetka Perzti" auf
Auch später zog die ungarische Bühne die
Erzeugnisse der Wiener komischen Muse gern
in ihren Bereich. In den Dreißiger«Iahren
und Anfangs der Vierziger gehörten die
Stücke Raimund's und Nestroy's zum
Repertoire des Pesther Nationaltheaters wie
der übrigen ungarischen Bühnen. Doch dieses
Verhältniß konnte nicht von Dauer sein.
Der Geschmack der ungarischen Theater«
besucher begann fich uon der Wiener Posse
abzuwenden. Die nationalen Reformbestre»
düngen brausten immer heftiger. Das unga»
rische Publicum hatte keine Aufmerksamkeit
mehr für das fremde Element in den über«
setzten Possen; alle seine Sinne waren auf
die heimischen Vorgänge gerichtet, in Elwar»
tung der Ereignisse, die da kommen mußten.
Ein Hauptthema alles dessen, was damals
gesprochen und geschrieben wurde, bildete
die Emancipation des Volkes, die Aufhebung
der Frohnpflichtigkeit; das Volk wurde der
Gegenstand eines Cultus, der in der Lite.
ratur. besonders in der Lyrik, schon früher
gepflegt wordcn war und bald seine glü»
hendsten Interpreten in Petöf i und Arany
gewann. Im Noman erhielt dieser Cultus
des Volkes durch EötoüS' „Dorfnotar"
und im gesellschaftlichen Leben dadurch seinen
Ausdruck, daß man in den Salons ungari»
sche Volkslieder zu singen und „Csardäs" zu
tanzen anfing. — Das Nationaltheater be«
gann spärlich besucht zu werden. Auf Mittel
zur Abhilfe bedacht, schrieb Director Bar»
tay einen Preis von hundert Ducaten auf
ein VolkSstück aus, und diesen erhielt ^ ka,-
Ikuäor", d. i. Der Abenteurer, von Franz
Ney sBo. XX, S. 308^. der aber mit
seinem Stücke gleich bei dessen erster Auf.
führung durchfiel. Dagegen wurde „s^ökött
katou»", d. i. Der Deserteur, uon Szigl i»
g eti , welcher vergebens concurrirt hatte, bei
der ersten Aufführung mit frenetischem Jubel
v. Wurzbach , biogr. Lenton. XI. I I . aufgenommen. Das Theater war gerettet.
Nicht allein das nationale Publicum drängte
sich zu dem neuen Stücke, sondern auch
Viele, die der ungarischen Sprache nicht
mächtig waren. Die Volksgestalten, die man
da zum ersten Male sah. die Volkslieder,
die man da uon geschulten Sängern und
Sängerinnen zum ersten Male hörte, übten
einen großen Reiz aus. Das Volk, für das
so viele Reden gehalten, so viele Leitartikel
geschrieben wurden, war als edler leidender
Theil auf die Bühne gebracht und eroberte
sich im Sturm die Sympathien des Theater»
publicums. Dem „Deserteur" ließ Sz ig l i -
geti „Die zwei Pistolen" (Xst M-toi)-)
folgen und dann schrieb er noch eine ganze
Reihe von Stücken desselben Genres. Den
gleichen Weg schlugen auch Andere ein, und
die ungarische Bühne bevölkerte sich nach
und nach mit ungarischen Volkslypen aller
Art. mit Recruten und ausgedienten Solda»
ten, Huszaren und Infanteristen, Dorfschönen
und alten Weibern, Zigeunern und Dorf«
schulmeistern. Räubern und Trabanten u. s. w.
So ward Szig l iget i der Schöpfer des
ungarischen Volksstückes, eines Genres, wel.
ches sich bis zum heutigen Tasse die Gunst
und die Theilnahme des ungarischen Thea»
terpublicums bewahrt hat. ^Literariscbe
Berichte aus Ungarn. Herausgegeben von
Paul Hunfaloy (Budapesth, Knoll, 3er.«bo )
Bd. I I I (1879), S. 330 u. f.)
Nuellen zur Mographie. Al lgemeine Zei>
tung (Augsburg Cotta, 40.) l878, Nr 28:
„Pestb 20. Jänner" (Eduard Szigligeti). —
Croquis aus Ungarn (Leipzig 1843, Otto
Wigand, kl. 80.) S. 163. — Dudumi
(Demeter). Pesther Briefe über Literatur,
Kunst, Theater und gesellschaftliches Leben.
Neue Folge (Pesth i856, Lauster und Stolp,
8<>.) S. Z6: „Achter Brief". — Fremden«
Vlat t . Von Gustav Heine (Wien. 4°.)
1869, Nr. 243; 1870, Nr. 80 unter den
„Kunst« und Theater-Notizen". — Litern»
rische Berichte aus Ungarn. Heraus
gegeben uon Paul Hunfalvy (Budapesto
1879. (5. Knoll. gr. so.) Bd. I I I (1879).
S. 330—34l.- „Couaro Szigligeti. Ein Bei.
trag zur Geschichte deS ungarischen Theaters".
Von Adolph Dur. sHier wird auf eine
sehr störende falsche Paginirung des dritten
Bandes der „Literarischen Berichte aus Un»
gärn" aufmerksam gemacht. Nach S. 400
beginnt statt 401 von Neuem 301, und so
17. Oct. 1880.) 11 '
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Volume 42
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Szedler-Taasse
- Volume
- 42
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1880
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 356
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon