Page - 206 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Szedler-Taasse, Volume 42
Image of the Page - 206 -
Text of the Page - 206 -
Szirman, Stephan 206 ) Stephan
durch gütliche Unterhandlungen den Rebellen
Tököly zur Niederlegung der Waffen zu
bewegen. Aber da gab es große Hindernisse
zu überwinden. S tephan, welcher den
Wunsch des Letzteren kannte, die Witwe Franz
Räkoczy 's , H e l e n e , eine geborene
Zr iny i . zu heiraten, um dadurch ansehn«
liche Besitzungen und große Reichthümer in
seiner Hand zu vereinigen, machte sich an»
heischig, ihm zur Realisirun^ seiner Absichten
zu verhelfen. Und so geschah es; zunächst
wurde ein Waffenstillstand abgeschlossen, und
dann sollten, wahrend Tököly's Vermä»
lung stattfände, alle Vereinbarungen zu
einem dauernden Frieden getroffen werden.
Aber kaum sah sich der Treulose im Besitze
seiner heißersehnten Gemalin, so begann er
seine Umtriebe von neuem. Nicht nur wollte
er vom Frieden nichts weiter wissen, sondern
er verlegte sich wieder auf den Kampf, über»
siel Szathmär, Tokay, Parat und Kaschau
und nahm diese Städte weg. Uebermüthig
durch diese Erfolge, lehnte er alle von dem
Palatin Paul Eszterhäzy ihm gemachten
Unterwerfungsanträge entschieden ab und
spannte seine Forderungen nur um so höher.
Nun aber wendete sich in Folge der mittler,
weile abgeschlagenen Belagerung Wiens
durch die Türken und deren weitere Nieder,
lagen auch Tököly's Sache. Der Empörer
wurde am 17. August 1684 von den Türken
selbst in seinem Lager überfallen, gefangen
genommen und nach Adrianopel abgeführt,
worauf er im Jahre 1703 auf seinem Land«
gute in Nikomedien starb. Hier lassen wir
nun die Darstellung eines ebenso auffallen»
den als wichtigen Ereignisses folgen, welches
lange Zeit unaufgeklärt geblieben, bis durch
Stephan Szirmay's von Kaiser Leo>
pold selbst bestätigtes Testament das Räthsel
auf ganz unzweideutige Weise sich löste.
Die Sache aber ist folgende.- Die glorreichen
Erfolge der kaiserlichen Waffen hatten den
Redellen Tököly ebenso sehr erschreckt, als
er. den Druck des türkischen Bündnisses
immer schwerer fühlend, sehnlichst wünschte,
desselben ledig zu werden. So wollte er
denn mit dem Kaiser einen nach Möglich,
teit vortheilhaften Frieden abschließen. Aber
stets von türkischen Spähern und seinen
eigenen Ofsicieren, die dem Empörer doch
nicht recht trauten, umgeben, konnte er keinen
Schritt unbemerkt unternehmen. So berief
er Stephan Sz i rmay , den er im
Hertrauen des Kaisers wußte, zu sich nach Tokay und bcrieth sich mit ihm, wie er
seinen Vorsatz, mit Leopold sich auszu»
gleichen, zur Ausführung bringen könnte.
Sz i rmay rieth ihm nun, ein eigenhändiges
Unterwerfungsschreiben an den Kaiser zu
richten, worin er verspreche, daß er, wenn
ihm alle seine Güter zurückgegeben würden,
die Waffen niederlegen und sich von dem
Bündnisse mit den Türken lossagen werde.
Er selbst wollte dieses Schreiben dem Kaiser
übergeben, und wenn ihn Tököly bevoll-
mächtige, alle weiteren Unterbandlungen in
dieser Angelegenheit führen. Wenngleich die
Verhandlungen mit Tököly den erwünsch,
ten Fortgang genommen hatten, so war es
doch für Sz i rmay schwer, durch die Spione
ohne Verdacht hindurchzukommen. In dieser
kritischen Lage griff man zu dem immer,
hin gewagten Auswege, daß man den in
der Nähe befindlichen kaiserlichen General
Clemens Caprara von Tököly's Aofich«
ten geheim in Kenntniß setzte. Dieser Gene.
ral sollte nun den aus Kaschau in Beglei»
tung einiger Tököly'schen Soldaten abrei«
senden Szi rmay aus einem Hinterhalt
unter dem Vorwande überfallen, daß der«
selbe mit den Feinden des Kaisers Gemein«
schaft habe. und ihn unter scharfer Be<
deckung nach Wien abführen lassen. Dort
sollte dann der mit den nöthigen Vollmach»
ten versehene Szi rmay als Unterhändler
auftreten und somit seinem Vaterlande einen
nicht unwesentlichen Dienst leisten. Alles
geschah nach dieser Verabredung. Sz i rmay,
der zum Ueberflusse mit einem unter der
Hand von dem Hofkammerpräsidenten über«
schickten Geleitbriefe versehen war, wul.de
der Abrede gemäß am Fuße des Kaschauer
Verges von Caprara's Söldnern über«
fallen, gefangen genommen und unter Be«
deckung nach Wien gebracht. BiS dahin war
alles nach dem vereinbarten Programme
gegangen, nun aber glaubten des Kaisers
Räthe nach ihrem Gutdünken vorgehen zu
sollen. Statt sich in die von Sz i rmay
beantragten Unterhandlungen mit Tököly
einzulassen, wollten sie denselben bei seinem
Bundesgenossen, dem Türken, verderben.
Der zweckdienlichste Weg zu diesem Vor»
haben dünkte ihnen aber, wenn sie sammt«
liche von Sz i rmay überreichten Original»
papiere des Rebellen den Türken übersende»
ten und diese so von der Treulosigkeit ihres
Schützlings überzeugten. Daß sie damit
Szirmay's Ehre bloßstellten, war diesen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Szedler-Taasse, Volume 42
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Szedler-Taasse
- Volume
- 42
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1880
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 356
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon