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Tausenau 147 Tlllisenau
diesen Männern gesellte sich ziemlich
spät erst — um zehn Uhr — Taufe«
nau, der bis zu so vorgerückter Stunde
Unterricht im Englischen zu geben
pflegte. Ein Feuilletonist aus jenen
Tagen zeichnet die Silhouette dieses
meikwürdigen Demagogen mit folgen«
den Worten: „Es war um 8 Uhr
Abends am 24. September 1847. Tau«
se nau trat in dieses kleine Zimmer. Er
war damals schon sehr beleibt, eher
klein als groß. von kurzem Halse und
breiten Schultern. Ein starker Kopf,
brünett, schwarzes Haar, glatt gebürstet,
kurz geschoren, mit proportionaler Stirn
und Nase, nett rasirt, offene braune
Augen mit festem Blick, ohne aber etwas
Durchdringendes darin zu besitzen, ruhig
und fest in Haltung und Gang. mit
offenbar sehr überwachter Miene und
Geberde. Die Stimme verrieth eine
kräftige und volle Brust und was vor
Allem überraschte — seine Sprache zeigte
deutlich eine langjährige rednerische
Uebung, so daß aus dem Verlaufe der
Debatte dem Zuhörer sich der Gedanke
aufdrangen mochte, Tausenau habe
sich für eine Zukunft vorbereitet, deren
Nähe damals (ein halb Jahr vor Aus«
bruch der Bewegung) kein Mensch
in Wien ahnte". „Am gedachten
Abend", berichtet ein Zuhörer jener De«
batten, „erging sich Tausenau durch
volle zwei Stunden in einer höchst ge«
wählten Sprache mit aller Selbstüber«
wachung des Redners, die großartigen
Ideen und Gestalten der alten Welt in
allen Zweigen der Literatur, Kunst und
Politik mit den verpfuschten Nachäffun-
gen unserer Zeit mit scharfen Rissen und
frischen Farben malend". Eine Stelle
dieser Taufenau'schen Apostrophe, aus
welcher dieser Agitator — einer der mach»
tigsten und einflußreichsten auf die auf- geregte Wiener Bevölkerung des Jahres
4848 — uns seine Gedanken, die selbst
in friedlichster Stunde ausgesprochen,
etwas Titanenhaftes, Himmelstürmendes
an sich trugen, klar hervortreten laßt.
gibt auch ziemlich feste Striche zu seinem
geistigen Bilde. „Unsere Zeit", sprach er
damals. „immer wieder mit neuen
Schnörkeln die großen Monumente
überkleisternd, ist zu dem welthistorischen
Fluche verurtheilt: daß alles Flickwerk
von den hohen einfachen Säulen der
uralten Ideen herabstürzen wird. die
Wohnungen der simplen Menschen werden
unter dem Schütte zertrümmert, die Luft
wird erschüttert, so daß heftige Stürme
an die sorgfältigst geschützten Gebäude
schlagen, und auch diese in den allgemei«
nen Ruin stürzen muffen. Denn einzelne
Menschen, die doch immer nur an Einem
großen Baue mithelfen können, haben
fich angemaßt. aus dem beschränkten
individuellen Gehirne heraus die Grund«
linien unserer Gesellschaft zu dictiren, zu
welcher sie doch selber nur Bausteine
sind wie Andere. Die unbegriffene Re»
gierung der Welt glauben diese ohn»
mächtigen Machthaber vertreten-zu sollen,
während doch die Vorsehung mit unse»
rem Lebensblute, mit den Gebeinen von
tausend Generationen, die ewige Zeich»
nung vollbringt und mit jedem Staub«
chen arbeitet. Nur aus der an allen
Punkten, in allen Schichten der Gesell«
fchaft sich erhebenden, durchkreuzenden
und verknüpfenden Bewegung kann Gott
die Welt harmonisch weiter führen, er
hat dem wahnsinnigen Treiben eines
babylonischen Thurmbaues lange genug
zugesehen, die erbärmlichen Menschen
wollen gegen das ewige Rauschen der
Gewässer ein Castell errichten, und Gott
wird den Sinn dieser Leute verwirren,
so daß kein Arbeiter mehr den Aufseher
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Tabacchi-Terkla, Volume 43
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Tabacchi-Terkla
- Volume
- 43
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1881
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 320
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon