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Tewlle 102 Tewele
die entgegengesetzte Wirkung hervor.
Tewele spielte den Gekränkten und
trat mit der Direction des Carl-Thea-
ters, das ohnehin durch das Stadt-
t')eater stark beeinträchtigt wurde und
c;?rn bereit war, eine der besten Kräfte
demselben zu entziehen, in Unterhandlung.
Das Resultat dieses Schrittes, der da-
mals in den Wiener Blättern viel be-
sprochen wurde, war, daß der Directions-
rath des Stadttheaters, welcher Kennt-
niß erhalten hatte von den vortheilhaften
Bedingungen, unter denen Tewele im
Carl - Theater engagirt werden sollte,
Bedenken trug, eine so tüchtige Kraft zu
verlieren, und dem Künstler solche Aner-
bietungen machte, welche diesen endlich
bestimmten, noch ferner beim Stadt'
theurer zu verbleiben. Als aber im Jahre
1878 die Verpachtung des Carl-Theaters
wieder auf die Tagesordnung kam, besann
sich Tewele nicht lange und übernahm
dasselbe vom 1. August 1878 auf die
Dauer von zehn Jahren gegen eine jähr-
liche Pacdtsumme von 30.000 st. Das
Leopoldstädter Theater, 1847 von Direc-
tor Carl erbaut, war immer eine der!
beliebtesten Bühnen Wiens. Nach Carl's
Tode (<8»4) ging es an dessen Erben
über. Seit dieser Zeit bis 1878, also
innerhalb vierundzwanzig Jahre, führten
d!e Leitung dieser Bühne sechs verschiedene
Directoren, und vier derselben traten unter
den günstigsten Verhältnissen von ihren
Posten ab. Nur zwei, Brauer und
Leh mann, verstanden es nicht, aus dem
sonst so einträglichen Kunstinstitute einen
Erfolg zu erzielen. Nestroy, Treu-
mann und Ascher, welch Letzterer von
seinem Nachfolger Iauner sogar eine
Ablösung von 130.000 fi. erhielt, zogen
sich als reiche Leute vom Geschäfte zurück,
und auch Iauner schlug, ungeachtet der
großen Ablösung, eine ansehnliche Summe heraus. Es waren also für den neuen
Unternehmer Tewele die günstigsten
Aussichten. Am 10. September 187k
eröffnete er unter seiner Leitung das Carl-
Theater, und zwar, so verlautete es, mit
seinem einstigen Director Anton Ascher
als stillem Compagnon und Berather zur
Seite. Von dem System seines Vor-
gängers Iauner , nur die Posse und
große Operette zu pflegen, abweichend,
knüpfte er an die Thätigkeit A s ch
e r's
an, die sich so vortheilhaft bewährt hatte,
und war darauf bedacht, neben der
Operette auch dem Conversationsstücke,
dem Lustspiele und dem Einacter wieder
Terrain zu verschaffen. Es gelang ihm
mit diesem System auch ganz gut, denn
als er mit seiner Operettentruppe im
Frühjahre 1881 einen Ausflug nach Ham-
burg unternahm, war derselbe von einem
so glänzenden Erfolge begleitet, daß ihm
von Berlin, Breslau, Köln und Baden»
Baden Einladungen zukamen, mit seiner
Gesellschaft in ge-nannten Städten .Vor-
stellungen zu geben. Wie oben bemerkt,
spielte Tewele auf der Münchener Hof'
bühne jugendliche Helden und tragische
Liebhaber, in Wien aber ging er in das
Fach der Bonvivants über und schwang
sich in demselben zu einem der amüsantesten
und beliebtesten Darsteller der Residenz
empor, so daß er bald eine stehende Type
aller Wiener Witz. und Caricaturenblätter
wurde, auf denen wir der mit Vorliebe
behandelten Nase des Künstlers häufig
genug begegnen., Eine von den Wiener
Journalen vielbesprochene und von den
Witzblättern mit kaustischem Witze behan-
delte Episode im Leben des Künstlers
bildet seine im Jahre 1873 ihm wohl
von der Zeitungspresse angedichtete Ver-
lobung mit der berühmten Schauspielerin
Iosephine Gallmeyer, welche er aber
am entschiedensten dadurch widerlegt hat,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Terlago-Thürmer, Volume 44
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Terlago-Thürmer
- Volume
- 44
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1882
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 360
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon