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Thugut Ehugut
tigen Geschäfte enthoben und mit der«
-selben der k. k. Botschafter am kaiserlich
russischen Hofe Graf Ludwig Cobenzl
betraut, Thu gut aber zugleich zum
Conferenzminister ernannt und ihm als
k. k. Generalcommissär und bevollmäch-
tigtem Minister die Direction der südlichen
und küstenlandischen Provinzen über-
tragen. Die Abwesenheit des Grafen Co-
benzl in verschiedenen Verhandlungen
und dessen zeitweilige Rückkehr an den
kaiserlich russischen Hof führten. Thu-
gut's erneuerte Theilnahme an den aus»
wartigen Geschäften herbei, denen er
endlich im October 4800 für immer ent-
sagte. Wenn nun Freiherr von Hor-
mayr irgendwo berichtet: „ Im Novem-
ber und December 180i) fuhr Thu gut
selten Nachts aus der Staatskanzlei heim
auf seinen Garten in der Währingergafse,
ohne mit wildem Geschrei und mit Stein«
würfen verfolgt zu werden", so gehört
dies zu den Improvisationen dieses Ge-
schichtsschreibers, von denen es in dessen
Schriften wimmelt, und die eben deren
historischen Werth so zweifelhaft machen.
I m Jänner 1801 zog sich Thu gut von
allen Staatsdiensten zurück und vom
Kaiser mit einem ansehnlichen Gnaden-
gehalt und mit betrachtlichen Gütern in
Croatien belohnt, lebte er die erste Zeit
in Preßburg, dann aber in Wien, wo er
die siebzehn Jahre seiner Ruhe in einem
kleinen Kreise von Freunden und be-
schäftigt mit dem Lieblingsstudium seiner
Jugend, der orientalischen, vorzüglich der
persischen Literatur, zubrachte. Er blieb
unverheiratet, und seine Güter fielen an
die Krone zurück. Er soll ein Vermögen
von drei Millionen Gulden hinterlassen
haben? Er ist, wie wenige Staatsmänner,
rücksichtslos von Feind und Freund auf
die leidenschaftlichste Weise verurtheilt
worden. Und eben diese Leidenschaftlich- keit weist darauf hin, daß das Urtheil
kein objectives, sondern ein subjectiv par«
teiisches sei. Ist es denn doch später er-
wiesen worden, daß ihm Manches zu-
geschrieben wurde — zum Beispiel der
Rastatter Gesandtenmord— woran er
völlig unbetheiligt gewesen. Ritter von
Vivenot hat denn auch den Versuch
gemacht, Thugut auf Grund dessen
eigener Briefschaften zu rehabilitiren.
Wenn man sich durch den Wust der
tausend und mehr Briefe mühsam durch-
gearbeitet, so erscheint Einem Manches,
ja Vieles in milderem Lichte, und man
kommt zur Ueberzeugung, daß er die Ver°
unglimpfungen, ja Beschimpfungen der
Herren Hausser, Sybel und wie alle
diese Oesterreich feindlichen Historiker
heißen mögen, nicht verdient. Von dem
Hafse, mit dem ihn die französische Revo-
lution erfüllte, geblendet, erkannte er
nicht, daß eben mit ihr eine neue Zeit
angebrochen, daß sie kein vorübergehendes
Krankheitssymptom, fondern ein völliger
Bruch mit der Vergangenheit war, in
Folge dessen die iniLöi-a >^1el)3 contrl»
du6N8 als Macht auf den Schauplatz
trat und die Regierten den Regierern
gegenüber als Macht gegen Macht sich
stellten. Und wenn er nun kein Mittel
gut genug fand, um die Canaille, als
welche ihm das Volk erschien, zu unter-
drücken, so hat er darin allerdings gröblich
geirrt und sich Unerhörtes zu Schulden
kommen lassen, aber doch immerhin lag
seinem Handeln nur die Absicht zu
Grunde, den seiner Leitung anvertrauten
Staat» vor weiteren Gefahren zu retten.
Als Minister war er eine Arbeitskraft
ohne Gleichen, und Alle, die unter ihm
arbeiteten oder in Geschäftsverbindungen
mit ihm standen, gaben ihm das Zeugniß,
daß er mit unermüdetem Diensteifer, mit
äußerster Sorgfalt die ihm übertragenen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Thugut-Török, Volume 45
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Thugut-Török
- Volume
- 45
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1882
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 324
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon