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Tichatfchek) Joseph AlöiS °l 34 Tichatschek) Joseph Alois
welche besagten, daß der Künstler Wagner's
Ideale „lebig" gemache habe.
V. Tichatschek und Richard Wagner. Ticha-
tschek erscheint so zu sagen als Mitbegründer
des Ruhmes, der Richard Wagner zutheil
geworden. Im Jahre 4842 war es unser
Sänger, der in epochemachender Weise den
entscheidenden' Wendepunkt in der Künstler»
laufbahn des Komponisten durch seine be-
rühmt gewordene Darstellung des „Rienzi"
herbeiführte, und in ebenso bedeutsamer Weise
schuf er in den folgenden Jahren die Titel'
rollen des „Tannhäuser"' und „Lohengrin".
„Cola Rienzi" war das erste Werk.Wagner's,
das bei seinem Erscheinen durch seine Instru-
mentalmassen ebenso befremdlich überraschte,
wie durch die wogende Regellosigkeit und die
gewaltige Aufgabe, welche der Compositeur
darin der menschlichen Stimme stellte. Ticha»
tschek war es. oem Ersten, gelungen, eine so
kolossale Aufgabe zu bewältigen und zur Gel-
tung zu bringen. Als er nun am 11. Juli
1877 die Feier feines 70. Geburtstages be-
ging, meldeten die Journale, auch Richard
Wagner habe an den Sänger in einem
Telegramme Verse gesendet. Dem ist aber
nicht so. diese Verse, ganz in des Komponisten
bekanntem Style gehalten, nach welchem
Tichaischek Wagner's Ideale „lebig" ge<
mackt haben soll. sind apokryph und das
Proouct eines Witzbolds. In einem Schreiben
an die „Presse", 34. Juli 1877, theilt Ludwig
Harimann wörtlich mit: „daß Richard
Wagner für seinen und unseren prächtigen
Freund und Meistersinger keine Zeile, ge-
schweige einen Lorbeerkranz gehabt, um
den 70. -Geburtstag eines Sängers auszu»
zeichnen, der ihm im Jahre 1842 den „Rienzi"
aus der Taufe hob und Wagner's Ruhm
zuerst begründet hat". — Noch sei eineS
Schreibens des Tonheros hier gedacht, welches
, 1867 als Manuscript gedruckt wurde und wohl
den Wenigsten verständlich war. Es betraf
eine Aufführung des „Lohengrin" vor dem
Könige von Bayern. Die Oper war über»
all verstümmelt gegeben worden, und da
Wagner sein Werk unverstümmelt hören
wollte, gestattete sein königlicher Gönner, daß
Tichatschek aus Dresden komme und den
Lohengrin singe. Der Künstler kam. sang in
der Generalprobe am 11. Juni den Lohen-
grin. aber nur in der Generalprobe.
An einem Costumstück und an den Jahren
des Künstlers, der jedoch trotz seiner 50 Jahre den Lohengrin sang wie kein Zweiter, schei-
terte das weitere Auftreten Tichatschek's.
der am 16. Juni wieder nach Dresden zurück»
reiste. Nun schrieb W a g n e r an T i
ch a t s
ch
e k
jenen offenen Brief ääo. Luzern lä. Juni
-1876, den das „Fremden-Blatt" von Gustav
Heine. 1867, Nr. 175. brachte, und.der durch
den Artikel im Wiener „Neuen Fremden-
Blatt" vom 23. Juni 1867, Nr. 170^ betitelt:
' „Der blaue Mantel. Eine ergötzliche Resi-
denz und Coulissengeschichte", erst ganz ver«
ständlich wird.
VI. Zu Tichatschek's künstlerischer Charakte-
riftik. Als der in Rede Stehende 1838 sein
Engagement am Dresdener Hoftheater antrat,
brachte das Journal „Der Planet" (1838,
Nr. 144) eine längere Mittheilung aus Dns»
den, in welcher die Behauptung ausgesprochen
war, daß Tichatschek weiter nichts als ein
glücklicher Naturalist, aber kein Künst»
l er sei. daß er überhaupt keine Tonbi ldung
besitze, eine Behauptung, die auch später von
seinen Gegnern — und welcher Künstler hätte
deren nicht — immer wieder ins Vorder-
tressen geführt wurde. Als unser Sänger eine
Choristenstelle am Kärnthnerthor-Theater in
Wien erhalten sollte, wurde er vom Grafen
Gallenberg, dem Päckter dieses Kunst«
Institutes, nur auf das Zeugnih hin auf»
genommen, welches Chorregent Wein köpf
und Operncavellmeister Conradin Kreuzer
ihm, dem damaligen Studiosus der Medicin,
' ausgestellt hatten, und welches wörtlich lautete:
„Vorzeiger dieses. Joseph Tichatschek,
besitzt eine hohe Tenorstimme und gründ»
liche musikalische Kenntnisse, er wäre daher
allerdings geeignet, als lenoro Inao im Chor
angestellt zu werden". Also er besaß bereits
als Chorist eine gründliche musikalische Bil-
dung. Dabei aber blieb es nicht; er erhielt
nun auch den Unterricht des berühmten
Ciccimara. und der Pächter des Karnthner-
thor-Theaters ließ ihn im Vereine mit Clara
Heinefetter M . VI I I , S. 218). Sophie
Löwe ^Bd. XV, S. 433) und Staudig l
lBd. XXXVII, S. 251) künstlerisch aus.
bilden. Später, in dem Dresdener Künstler»
kreise, an dessen Spitze Wilhelmine Schrö-
der-Devrient sBd. XXXI, S. 337) in
wahrhaft genialer.Weise maßgebend und be»
stimmend stand, wirkte gerade diese merk»
würdige Frau in so eminentem Grade auf
Tichatschek. daß er der Dankbarkeit und
unauslöschlichen Verehrung, welche er dieser
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Thugut-Török, Volume 45
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Thugut-Török
- Volume
- 45
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1882
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 324
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon