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203 Titzinger
Zerstreutheit, die nur ein Gelehrter, dem
die Außenwelt ein völlig Fremdes ist, in
solcher Potenz entwickeln kann. Mögen
auch seine Schüler den Witz aufgebracht
haben, daß er auf dem Wege von seiner
Wohnung in der Bäckerstraße bis zum
Universitatsgebaude sich ängstlich bemüht
habe, täglich immer nur dieselben Pflaster-
steine zu betreten, was ihm übrigens ganz
ähnlich sah, so charakterisirt doch seine
Heiratsgeschichte diese „gute Seele" voll»
kommen. Wahrend nämlich Titze noch
als Professor in Prag docirte, besuchte
er häufig das Haus eines Kaufmanns,
welcher zwei Töchter hatte, von denen
die jüngere größer war als die ältere.
Dieses Längenverhältniß brachte den Pro-
fessor zur Annahme, daß die altere, eben
weil sie kleiner war, auch die jüngere sein
müsse. Er fühlte zu ihr herzliche Neigung,
kam aber, so lange er sich in Prag auf°
hielt, bei seinen philologischen For»
schungen nie dazu, sich gegen sie oder
ihre Eltern auszusprechen. Erst als er
seine mit höheren Bezügen verbundene
Anstellung an der Universität in Wien
bereits angetreten, und er sich daselbst
häuslich eingerichtet hatte, schrieb er an
den Kaufmann: „was maßen dessen
jüngere Tochter einen gar mächtigen Ein»
druck auf sein Herz gemacht habe" und
daß er, wenn sie seine Gefühle theile,
ernstlich gesinnt sei, ihr am Traualtare
seine Hand zu reichen. Da er aber in
Folge seiner Anstellung Wien nicht ver»
lassen könne, müsse sie sich schon ent>
schließen, mit ihrer Mutter zu ihm zu
kommen. Und da in dem Schreiben kein
Name genannt war, theilte der Kauf-
mann dasselbe seiner wirklich jüngeren,
aber größeren Tochter mit, welche, wohl
zunächst durch die Aussicht, die Gemalin
eines so ehrenhaften und angesehenen
Mannes zu werden, und da sie sonst keinen Bewerber hatte, bestimmt, den
Antrag sofort annahm und, ohne erst
eine schriftliche Erwiderung abzusenden,
auch sogleich in Begleitung ihrer Mutter
nach Wien reiste. Anfänglich sah wohl
der Professor etwas verblüfft darein, als
ihm von seiner künftigen Schwiegermutter
die Schwester seiner Geliebten statt dieser
selbst als Braut zugeführt wurde, doch
fügte er sich bald den Folgen seines Irr-
thums und sprach: „Gewissermaßen habe
ich nicht Sie, mein übrigens sehr ver-
ehrtes Fräulein, sondern Ihre Schwester
gemeint, indeß, da Sie einmal hier sind,
wollen wir, um weiteres Hin- und He»
fahren zu vermeiden, das Mißverständniß
als eine Fügung des Himmels betrachten
und eine christkatholische Ehe eingehen!"
Und so geschah es.
O esterreich isch e National - Encyklo»
pädie von Gräffer und Czikann (Wien
4837, 8".) Bd. V, S. 372. — Meyer (I.).
Das große Conversations'Lerikon für die gr»
bildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogra-
phisches Institut, gr. 8".). Zweite Abtheilung,
Bd. XI, S. lN0.
Titze, siehe: Tietze
Quellens 449, in den
Titzinger, Lipot (Leopold). Ein Na-
turforscher dieses Namens ist in der von
Joseph Szinnyei Vater und Sohn
herausgegebenen „Vidliottiea
7 4472—1873" Dudapesch
4878, schm. 4".) Sp. 784 angeführt.
Bei näherer Prüfung ergibt sich, daß
unter diesem Titzinger Lipöt der
österreichische Naturforscher Leopo ld
Joseph F i tz inger , dessen unser
Lexikon im IV. Bande, S. 238 gedenkt,
gemeint sei: denn die von Szinnyei
dem Titzinger 3ip6t zugeschriebene
in Hormayr's „Archiv" 1823 abge-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Thugut-Török, Volume 45
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Thugut-Török
- Volume
- 45
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1882
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 324
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon