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Cürr Türr
teur und Hochverräther im Bereiche der
eigenen Regimentsjurisdiction, angesichts
der Armee, der er angehörte, frei ver-
kehren zu lassen. Er wurde daher am
1. November 1833 in seiner Wohnung
festgenommen und, zur Vermeidung jeder
Reclamation wegen Verletzung der engli
scben Uniform mit kaiserlichem Militär
mantel und Mühe bekleidet, sofort unter
Militärescorte nach Kronstadt abgeführt.
Die mündlichen und schriftlichen Proteste
des englischen Generalkonsuls blieben
ebenso unberücksichtigt als die des türki
schen Militärkommandanten in Bukarest.
In Kronstadt wurde nun gegen ihn der
regelmäßige Proceß eingeleitet. Der mehr
erwähnten Verbrechen schuldig erkannt
und abermals zum Tode verurtheilt, ent
ging T ü r r durch Verwendung der
Königin von England dem Loose. welches
ihm die Gerichte zuerkannten, denn der
Kaiser begnadigte ihn mit lebenslänglicher
Verbannung aus Oesterreich. Enthaftet
wurde er nach- Corfu'gebracht. Von dort
begab er sich nach England, und die erste
Heldenthat, zu welcher er sich nach
wiedererlangter Freiheit aufraffte, war
eine verleumderische, von wildestem Haß
gegen Oesterreich durchglühte Schmäh»
schrift. Als österreichischer Häftling aber
hatte er bei den kriegsgerichtlichen Ver>
nehmungen eine höchst zweideutige Rolle
gespielt, da er, um für sich selbst eine
günstigere Meinung zu schaffen, das
Treiben seiner erilirten Parteigenossen
ohne alle Rücksicht bloß stellte. Ein Um-
stand, den ihm seine politischen Gesiw
nungsgenoffen, die ihn heute noch als
einen gemeinen Verrather betrachten, nie
vergessen. Man ging damals eben in den
Kreisen, welchen er vor seiner Verhaf-
tung angehörte, mit der Absicht um,
sein Treiben und feinen Charakter einer
näheren öffentlichen Beleuchtung zu unterziehen. Nur die Besorgniß, die ge-
Heimen Ziele der Propaganda und die
Fäden ihrer Verbindung dadurch bloßzu-
legen, ließ von der Ausführung Abstand
nehmen. Indessen waren über sein Ge-
baren in englischen Diensten allerlei Um-
stände bekannt geworden. Wie er schon
als österreichischer Officier wegen Ver-
untreuung dringend verdächtig, durch De-
sertion sich zu retten suchte, die er zu-
gleich benutzte, um sich mit der politi-
schen Gloriole zu schmücken, so trat er
auch aus den englischen Diensten nichts
weniger als ohne Makel. Die Verwal-
tung bei den englischen Transportcorps
machte ihm öffentlich den Vorwurf, daß
er, der über namhafte von der englischen
Verwaltung zur Vervollständigung der
Trainanstalten im Orient empfangene
Summen zu verfügen hatte, seine Rech-
nungen in unbefriedigendster Weise gelegt
und Kaufcontracte ohne alle Garantie
für die englische Regierung abgeschlossen
habe' daß die gelieferten Wagen schlecht,
die angekauften Pferde aber noch schlechter
und weit über den Preis bezahlt waren.
Gin Gasthofinhaber in Giurgevo bean-
spruchte von ihm die Summe von zwölf-
hundert Gulden und belegte zur Deckung
eine Anzahl eingelieferter englischer
Wagen mit Peschlag. Nur der Umstand,
daß die englischen Behörden, Gott weiß
wie beeinflußt, die Sache auf sich be-
ruhen ließen, kam dem Defraudanten zu
Statten. Nach Beendigung des orientali-
schen Krieges 1836 arbeitete Türr, der
während seiner Umzüge auch den Tscher-
kessenfürsten Sefer Bei kennengelernt
hatte, in Constantinopel für die Zwecke
eines aus einigen Engländern bestehenden
Comitös, welches sich die Unterstützung
der Tscherkeffen zu seiner Aufgabe machte.
Aber bald darauf von einem Blutsturze
befallen, der ihn dem Tode nahe brachte,
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Volume 48
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Volume
- 48
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1883
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon