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Tunner. Marie 123 Tunner. M
solche theoretische Studien, sie ging noch
weiter und strebte auch nach praktischer
Seite in diesem Sinne zu wirken. So
veranstaltete sie, wie ein in den Quellen
angeführter größerer Aufsatz Hammer-
ling's berichtet, in ungewöhnlicher Art
Concerte. Wie sie nämlich sämmtliche
Nummern eines solchen allein zu spielen
pflegte, gab sie nun ihren Zuhörern ein
gedrucktes Programm in die Hand, in
welchem sie denselben ausdrücklich zu Ge»
müthe führte, was sie bei jed.>m Ton-
stücke künstlerisch zu empfinden und wie
sie es aufzufassen hätten. Dann ging sie
noch einen Schritt weiter, indem sie die
Kirchenmusik zu reformiren und
den Choral an Stelle des Kirchen-
orchesters zu setzen versuchte. Ein
gewiß ebenso beachtenswerther als prak
tischer Gedanke, da es doch viel leichter
ist, gute, wenigstens anhörbare Gesang»
stimmen, als halbwegs erträgliche In»
strumentisten zusammenzubringen. Man
braucht ja nur eine Orchestermusik in
einer Landkirche anzuhören, um für die
Idee des Lhorals gewonnen zu werden.
Marie stellte daher selbst einen Chor
kunstsinniger Genossinen zusammen und
ließ sich keine Mühe verdrießen, um die
Pfarrkirchen der Stadt Gratz ihrem
Plane geneigt zu machen, den Kampf
mit den Bläsern und Geigern aufneh«
mend. Nun, sie gewann auch Terrain,
aber zuletzt scheiterte ihr Plan an dem
mit Erbitterung vertheidigten alten Rechte
der Geiger und Bläser und an dem con»
servativen Friedensbedürfnifse der Chor-
regenten und Pfarrverweser. Daß es bei
dem Allem nicht an Angriffen auf die
Dame fehlte, daß ihr Thun und Trachten
als wunderlich bezeichnet und bespöttelt
wurde, begreift sich bei dem beschränkten
Zustande der menschlichen Natur von
selbst, aber da es der Künstlerin bei ihren ^
! gesunden Ideen nur um die Sache und
! nicht um ihre Person zu thun war,
! kümmerte sie sick nicht darum, was die
Leute von ihr redeten. Ueberhaupt in
ihrem ganzen Wesen wahr und offen,
buhlte sie weder um die Gunst eines
Menschen, noch hielt sie je mit ihrer
eigenen Ueberzeugung zurück, sondern
sprack dieselbe vielmehr rückhaltälos gegen
Jedweden aus. So genial in ihrem
Wesen, so bedeutend in ihrer Kunst, sie
glänzte nicht und suchte auch gar nicht
zu glänzen. Und wie in einer Vorahnung
eines baldigen Todes raffte sie sich zu
einer That zusammen, welche als das
Werk einer 26jährigen Jungfrau unsere
Bewunderung herausfordert. Sie schrieb
ihre Gedanken über Musik und zunächst
über das Piano spiel in einem Werke
nieder, welches unter dem Titel: „Nic
Alinheit des Ollluiernartrugeg. Nem Idealismus
in der TunKnnZt gewidmet, nun Gngrn Oi°ien-
stein" (Gratz 1870, Leuschen und Lu-
bensky, 120., x i l l und 200 S.) ein
halb Jahr vor ihrem Hingange erschien.
Nach einem einleitenden Vorworte be»
ginnt sie mit dem „Standpunkt des
Claviers", geht auf eine „Darstellung
des schönen Clavierspiels" über, worauf
die Charakteristiken desselben in den
Heroen des Clavierspiels: Mozart,
Haydn, Beethoven, Mendels-
söhn, Bach, Scar lat t i , Schubert,
Weber, Ont low, Chopin und
Schumann folgen. Den Abschluß bilden
zwei Abhandlungen über den „künst-
lerischen Vortrag" und den „Adel des
Styles". Einerseits um den Standpunkt,
den sie in der Frage des Clavierspiels
einnimmt, zu kennzeichnen, und ander-
seits eine Probe ihres energischen mar-
kigen Styls zu geben, lassen wir sie selbst
sprechen: „Von Seite der Componisten
hat das Clavier zu allen Zeiten eine
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Volume 48
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Volume
- 48
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1883
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon