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Tuvora 164 Tuvora
Wien, wo er zunächst in Hafner's
„Constitution" schrieb. Am 11. April
1848 trat er aber von diesem Blatte zum
„Freimüthigen", den Mahler ins Leben
gerufen, über, und zwar in der Eigenschaft
als Redacteur des politischen Theiles.
Ebeling glossirt diesen Uebertritt mit
folgenden Worten: Tuvora war ein
Mensch, der jede Frage nur aus dem
Gesichtspunkte des Geldes betrachtete,
und so affociirte er sich mit dem „Frei>
müthigen" für ein sehr hohes Honorar,
das ihm Mahler garantiren mußte.
Dieses Blatt, dessen Hauptaufgabe es
war, die Landbevölkerung aufzureizen
und in sein Lager zu ziehen, erschien
anfänglich in Großquart, dann aber in
einem Formate, das es zum größten
Journale Wiens machte. T u v o r a ,
schreibt E b e l i n g , trug sich mit der
chimärischen Hoffnung, in den neuen
Status huo als Finanzminister einzu
treten (!!!) und sah den schmutzigen
<5anal des „Freimüthigen" als den besten
Weg an, diese Höhe zu erklimmen! Der
aufreizende Ton des Blattes gewann
demselben in der hoch erregten Zeit bald
viel Interesse, und die Briefe gegen das
reiche Capitel von Klosterneuburg wurden
in den vielen Tausenden von Exemplaren
nicht gelesen, sondern gierig verschlungen.
Da kam der Tag, an welchem der Kaiser
das unheimlich gewordene Wien verließ,
um sich nach Innsbruck zu begeben. Es
war der 18. Mai. Kaum hatte Tuvora
am Morgen genannten Tages von der
Flucht des Kaisers erfahren, so warf er
sich eiligst in seine Kleider, bestieg eine
Miethkutsche und jagte sofort in Wiens
radicalste Vorstadt Gumpendorf, wo er
mit seinem Compagnon Hafner, der
ein Gleiches gethan, die Republik pro«
clamirte. Nach des Letzteren eigenem Aus»
spruche war eS ihr Plan, mit 30.000 Vor- stadtgarden und Proletariern die soge-
nannte Staatskanzlei und die daran«
stoßenden Lokalitäten der Regierung für
Niederösterreich, sowie die Staats«
druckerei und mit Hilfe der Menge, auf
deren zahlreiches Zuströmen sie rechneten,
sämmtliche Ministerialgebäude zu be«
setzen, für den gewaltsam entführten
Kaiser eine provisorische Regierung mit
dictatorischen Vollmachten einzurichten,
zahlreiche Verhaftungen vorzunehmen,
allsogleich Abgeordnete an das ungarische
Ministerium, an den eben damals in
Prag tagenden Slavencongreß, an das
deutsche Parlament und an die Mai-
länder provisorische Regierung zu senden,
Revolutionscommifsäre für alle Landes-
theile zu bestellen und alle Völker Oester-
reichs einzuladen, Abgeordnete zu einem
Völkercongreß nach Wien zu schicken.
Aber der seit jeher slavisch angehauchte
Tuvora und sein College Hafner
hatten die Rechnung ohne das Wiener
Volk gemacht, das, sobald es den Ernst
der Situation erkannte, wie mit einem
Zauberschlage umgewandelt war. Ein
mittlerweile an die Straßenecken ange-
schlagener von Becher, Tausenau,
Ribarz und Loben stein unterzeichneter
Aufruf an ihre Mitbürger, worin sie vor-
schlugen, sich
an den Erzherzog Johann,
den damals populärsten Prinzen des
Kaiserhauses, mit der Bitte zu wenden:
daß er das Staatsruder provisorisch er»
greife und die Monarchie dem Abgrunde
entreiße, der sie zu verschlingen drohe,
wurde von den erbitterten Leuten ab«
gerissen. I n Sechshaus und Gumpen-
dorf trieben mittlerweile Tuvora und
H a f n e r ihr Unwesen, riefen vom
Fiacre an die Vorübergehenden hinab,
daß, nachdem der Kaiser Stadt und
Land verlassen habe, nichts übrig bleibe,
als die Republik einzuführen, dabei
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Trzetrzewinsky-Ullepitsch, Volume 48
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Trzetrzewinsky-Ullepitsch
- Volume
- 48
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1883
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon