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Vahlen 194 Vahlen
sität ernannt, eröffnete er daselbst im
Herbste dieses Jahres seine Lehrthätigkeit.
Der anfangs kleine Kreis seiner Hörer.
— der von der Wiener Frequenz gar sehr
abstach — vergrößerte sich von Jahr zu
Jahr. Zugleich war ihm die Mitdirection
des philologischen Seminars ĂĽbertragen
worden, so wie die Verpflichtung, die in
Form von Proömien mit den Inäioe.^
leetionuin der Universität verbundenen
wissenschaftlichen Abhandlungen zu ver-
fassen, auch nahm er an den Arbeiten der
wissenschaftlichen PrĂĽfungscommission
seit 1876 mit geringen Unterbrechungen
stetigen Antheil. Am 16. December 1874
wurde er zum ordentlichen Mitgliedc der
königlichen Akademie der Wissenschaften
ernannt. I n den letzten Jahren war
seine literariftbe Thätigkeit, deren Ergeb-
nisse, außer einigen selbständigen Arbeiten,
in den Schriften der königlichen Aka-
demie, in den Vorreden zu den Inäiee^
leetionnin, sowie in der Berliner „Zeit»
schrift für classische Philologie" von Her»
mes mitgetheilt sind, im Zusammen-
hange mit der ihm zugewiesenen lehramt-
licken Aufgabe, vorwiegend kritischer und
eregetischer Behandlung römischer Dichter
der Blütezeit gewidmet, indem er hyper»
kritischen Neuerungen in den Werken
dieser Poeten durch ein allseitig eindrin»
gendes hermeneutischcs Verfahren nach
besten Kräften entgegenzuwirken ver»
suchte. Am 18. Jänner 1879 erhielt
Vahlen den rothen Adlerorden vierter
Classe, am 17. Mai 1882 den Charakter
als geheimer Regierungsrath. Was nun
seine wissenschaftliche Bedeutung in dem
Fache, welches er pflegt, betrifft, so
möchten die zutreffenden Worte, welche
bei Aufnahme unseres Gelehrten in die
Berliner Akademie Curt ius, der Se-
cretär der philosophischchistorischen Classe,
sprach, hier angeführt werden. „Als sich Vahlen", bemerkt Cur t ius, „in
seiner rheinischen Heimat dem Studium
der classischen Philologie zuwandte, war
unter dem EinflĂĽsse Ritschl's fĂĽr das
Studium der älteren lateinischen Sprache
und Literatur eine neue Epoche an-
gebrochen. Damals machte Vahlen sich
an die Sammlung der Ennianischen
Fragmente, um das Bild des altrömischen
und zugleich so unrömischen Dichters zu
erneuern. Auf Grund der in der Bonner
Schule empfangenen Anregung hat er
sein kritisches Talent an des Marcus
Terentius Varro „KsiihuiaO 8atui-g..
i'uni Ueni^peÄi'mn" gewendet' er
hal C i c e r o's BĂĽcher von den Ge>
setzen auf eine festere Grundlage Hand»
schriftlicher Ueberlieferung zu stellen ge-
sucht. Durch das Studium der römischen
Redner gelangte er zu dem Manne,
welcher die Theorie der Beredtsamkeit zu
einer Wissenschaft erhoben hat, zu Ari-
stoteles. Bei seiner langjährigen Be<
schäftigung mit der Rhetorik desselben
hat Vahlen nicht nur den technischen
Sprachgebrauch feststellen helfen, sondern
auch mit echt historischem Sinne die von
Aristoteles angefĂĽhrten Redeproben
benutzt, um verschollene Redner, wie
Alkidamas wieder bekannt zu machen
und geschichtlich so wichtige Gegensätze,
wie den zwischen der Schreibeberedtsam«
keit der Isokrateer und der Stegreif»
eloquenz in der Schule des Gorgias,
wieder an das Licht zu ziehen. So hat
denn Vahlen seine kritisch^hermeneutische
Kunst auf sehr verschiedenen und ent-
legenen Gebieten des Alterthums be«
währt. Er hat aber auch der Geschichte
dieser Kunst seine Forschung zugewendet
und in Lorenzo di Va l la den Mann
geschildert, welcher in dem weltbewegenden
Zeitalter der Renaissance den Humanis'
mus vor der Gefahr rettete, in einen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Ullik-Vassimon, Volume 49
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Ullik-Vassimon
- Volume
- 49
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1883
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon