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Van, Alois 29 Alois
dringlicher auftritt, denn je vorher. Aber
Freiherr von Vay gab noch manchen
wuchtigen Satz in seiner Rede zum'Besten.
So hebt er seinen Vortrag sofort mit
dem historischen Aphorismus an: „Die
ungarische Nation hielt vor dem Jahre
1848 den Tatarenzug für ihre traurigsten
Tage, nach 4848 wird sie die verflossenen
zwölfIahre (1848—^l86tt) dafür halten".
Während ein vorurteilsfreier Historiker
darauf erwidern würde: daß jener Ta«
tarenzug und diese zwölf Jahre nur
Ursache der Felonie der Ungarn gegen
ihren König gewesen feien, weiß Baron
Vay dafür besseren Bescheid, indem er
behauptet, daß Ungarn die letztgenannten
Jahre nur den auf den Wiener Barn»
caden entstandenen absoluten heimatlosen
Civilisations «Industrierittern zu ver-
danken habe. Heute, nach einem Viertel-
jahrhundert, hört man aller Orten und
oft von guten und gebildeten Ungarn
ausrufen: daß dem Interim von 1830
bis 1860 ein großer Theil der einiger'
maßen geordneten Zustande Ungarns, die
freilich immer mehr verschwinden, zu
danken und dieses durch die damaligen
Reformen endlich in die Reihe der civili«
firten Staaten getreten sei; Alois
Baron Vay belehrt uns eines Besseren,
indem er den Verzweiflungsschrei aus»
stößt: daß dasjenige, was die Bach'schen
Civilisatoren in unserem Vaterlande voll»
führten, selbst dem Allmächtigen zu viel
wurde! Wir erfahren aus dem Verlaufe
der Rede, „daß die absolutistisch regieren-
den Minister der letzten zwölf Jahre in
ihrem unbegrenzten Hafse gegen Ungarn
oder in ihrer grenzenlosen Unwissenheit,
anstatt das Nationalvermögen, somit
Ungarns Steuerkraft zu vermehren, um
die Geldverhaltnisse Oesterreichs ordnen
zu können, im Einverständnisse mit ihren
Genossen, den Wiener Banquiers, alle Finanzmanöver probirten, um die Ver-
mögenszustande Ungarns zu ruiniren,
denkend, daß sie über uns, sobald wir
arm sind, leichter willkürlich herrschen
können". Baron Vay hat hier die
Kossuth'sche Banknotenprejse und die
Namen einiger Pesther Banquiers ver»
gefsen, welche, um Oesterreich mit ihrcn
Finanzplanen zu beglücken, eben aus
Pesth nach Wien einwanderten. Und
nachdem er Anschuldigung auf Anschul-
digung gegen die österreichischen Minister
gehäuft, belehrt er uns Oesterreicher:
„daß die von sich eingenommenen stuben«
gelehrten Wiener Minister glauben, daß
sie die Weisheit des Regierens mit dem
Löffel, und zwar mit dem großen Löffel,
gegessen haben. Doch sie wollen durch-
aus nicht anerkennen, daß sie nur durch
die Nationen des zur Führerrolle gereif.
ten und durch tausend Jahre verfaffungs-
mäßig lebenden ungarischen Reiches im
Stande seien, eine Großmachtrolle zn
spielen!! Wenn sie aber die Führerrolle
wo andershin verlegen, so gleiche Oester-
reich einem schönen Apfel, in den ein
Wurm gerathen und dessen Fäulniß also
je eher zu erwarten stehe!" Und wie wir
eben bemerkten, daß Baron Vay der
Entdecker der Verlegung des Schwer-
punktes von Wien nach Ofen sei, so
finden wir bei ihm auch am klarsten
den Gedanken des Dual ismus aus-
gesprochen, der Oesterreich vorderhand in
zwei Theile geschieden und allmälig zum
Trialismus, Seralismus und Gott weiß
in welchen Ismus endlich sich noch zu
entwickeln beginnt. „Es scheint", so ruft
Baron Vay aus, „zufällig das Schicksal
selbst darauf hinzuweisen, daß Oester-
reichs Regent gleichsam nach der Zeich-
uung des im Wappen befindlichen zwei-
köpfigen Adlers regieren muffe, deffen
Körper gleichsam das ganze Oesterreich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Volume 50
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Vastag-Villani
- Volume
- 50
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1884
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon