Page - 131 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Vastag-Villani, Volume 50
Image of the Page - 131 -
Text of the Page - 131 -
Vernalekeu Vernaleken
bücher wurden in Millionen von Exem-
plaren in allen Kronländern des damals
noch einheitlichen Kaiserstaates verbreitet.
Schon das erste Sprach- und Lesebuch
nahm sich nach Form und Inhalt als
-eme förmliche That aus im österreichischen
Unterrichtswesen und hatte auch als
solche Freunde, aber auch Gegner; als
hann das zweite Sprach» und Lesebuch
und weiter das Hilfsbuch zu diesen beiden
folgte, da zeigte sich deutlich der Um-
schwung. der im Unterrichtswesen Oester-
Teichs stattgefunden, aber er sollte nicht
von Dauer sein. Im verhängnisvollen
Jahre 1833 wehte, wie das von Verna-
leken erfundene geflügelte Wort lautet:
„der Wind von Süden" ; die Con-
-cordatsveriode hub an, und mit ihr
gewann das im schönsten Aufschwünge
begriffene Volksschulwesen in Oesterreich
bald einen gar trüben Anblick. Das dritte
Sprach- und Lesebuch, womit Verna-
leken die erste Serie seiner Schulbücher
zu schließen gedachte, wurde bereits von
anderer Seite in Angriff genommen und
nach anderen, durch den confesfionellen
Umschwung, den das Concordat herbei»
geführt, bedingten Grundsätzen aus»
.gearbeitet. Der kühn aufstrebenden Schule
ward mit einem Male ein gebieterisches
Halt zugerufen, und Verna leken sah
sich im Hinblick auf das ofsicielle Volks«
schulwesen kalt gestellt. Aber keine Natur,
die müßig dem gegenwirkenden Treiben
zusieht, nützte er diese schlimme Zeit-
periode in anderer Weise aus. Wenn es
mit den Büchern nicht mehr ging, wollte
e^r es mit den Menschen versuchen:
denn verbesserte Lehrtexte können ohne
tüchtige Lehrer doch nicht viel helfen,
während ein guter Lehrer auch mit
schlechtem Lehrbuch noch immer nützen
kann. Es galt also, Schule und Lehrer
Zu heben, und wahrend' er über die Mittel, wie dies zu bewerkstelligen sei,
nachsann, kam ihm wider Erwarten der
riesige Eifer und Fortbildungstrieb der
Wiener Lehrerschaft, der trotz aller Para<
graphen des Concordats denn doch nicht
zu ersticken oder auszurotten wnr, ge-
wissermaßen auf halbem Wege entgegen.
Gine ganz ansehnliche Anzahl Wiener
Lehrer forderte nämlich zu Beginn der
Sechziger-Jahre Vernaleken auf an
ihrer Fortbildung regen Antheil zu
nehmen und zu diesem Behufe an schul-
freien Tagen über deutsche Sprache und
Literatur Vortrage zu halten. Dies ge-
schah denn auch. Verira leken, dann
seine Collegen an der Schottenfelder
Oberrealschule, Ludwig S ch mued ^Vand
XXX, S. 339^ und Friedrich Mül ler ,
riefen eine förmliche Lehrer-Fortbildungs-
schule ins Leben. Die Wiener Lehrer aber
lernten und arbeiteten damals mit dem
Concordat um die Wette, denn wie dieses
zurückdrängte, so drangen jene vorwärts,
und zuletzt blieben die Lehrer — Sieger.
I n diese Zeit fällt auch Vernaleken's
größte literarische Thätigkeit, von welcher
wir auf S. 132 und 133 eine vollständige
Uebersicht in chronologischer Folge geben.
Sein deutsches Lesebuch für Unterreal-
schulen, dann jenes für die oberen Classen
und zuletzt sein prachtiges „Literaturbuch",
wie ein besseres die deutsche Literatur
kaum auszuweisen haben dürfte, fanden
in vielen Auflagen weite Verbreitung. Zu
gleicher Zeit wandte er sich dem gramma-
tischen und culturgeschichtlichen Gebiete
zu, und es erschienen 1838 seine schon in
der Schweiz angelegten Alpensagen, das
Jahr darauf seine von Simrock und
Anderen sehr häufig als Quelle benutzten
„Mythen und Bräuche" und von gramma-
tischen Arbeiten das mehr methodisch an-
gelegte Sprachbuch und die rein wissen-
schaftliche, auf Worischer Grundlage
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Volume 50
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Vastag-Villani
- Volume
- 50
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1884
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon