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Johann Baptist 211 Vessel, Johann Baptist
Anfragen bei den Hinterbliebenen des
Verewigten blieben unbeantwortet. Neun
zehn Jahre alt, trat er im „Laibacher
Wochenblatt" (Nr. 24)' mit einem Sonett:
„kotadlivi^, d. i. Der Trost, auf, welches
»als das erste in kra'miscder Sprache be-
merkenswerth ist. Erst einige Jahre
später brachte die „LIrgMs1vZ.2lib6ii2ll.",
'd. i. Die krainische Biene (1830 u. f.),
mehrere andere Proben in dieser Dich'
tungsform. Indessen widmete er sich
zu-
nächst in Laibach, dann an der Hochschule
zu Wien den Studien und wendete sich,
nachdem er jenes der Rechte beendet hatte,
'dem Staatsdienste zu, in welchem er nach
dem Partezettel die Stelle eines k. k.
Finanzrathes in Trieft erreichte. Sonst
finden wir ihn gewöhnlich als pensionir-
ten k. k. Obersinanzrath angeführt. Für
imser Werk hat seine amtliche Laufbahn,
welche schablonenmaßig sich abwickelt,
kein näheres Interesse, dagegen nimmt er
als slovenischer Poet, in welcher Eigen-
schaft ihm nachPreshern Md. XXIII,
S. 267 j^ der erste Rang eingeräumt wird,
unsere volle Theilnahme in Anspruch.
Von seinen Origmaldichtungen ist wenig
in die Oeffentlichkeit gedrungen, aber
"durch seine meisterhaften Uebersetzungen
der Dichterkoryphäen anderer Nationen,
vornehmlich der deutschen, machte er sich
in seinem Vaterlande in ruhmvollster
Weise bekannt. Er übertrug Schiller,
Bürger, Uhland, Herder, Cha»
misso, DerZavin und Andere, und
wie ein krainischer Literaturhistoriker in
sreilich etwas überschwenglicher Weise
schreibt, lieferte er Uebersetzungen, „die
neben dem Vorzuge treuer Wiedergabe in
Ansehung der poetischen Diction ihre
Originalemeistentheils übertreffen!!" sBei
solchen Ansichten möchte man freilich tief
bedauern, daß Schiller und Cha misso
und Herder und Bürger "nicht als Slovenen zur Welt gekommen.^ Die ge-
rühmtesten Uebersetzungen V esse l's sind:
„Oivioa. ftri^ilska", d. i. Die Jungfrau
von Orleans, und nNevOItÄ ni^insKa",
d. i. Die Braut von Messina. Außerdem
übertrug er eine große Anzahl von Ge-
dichten aus der deutschen, russischen und
oechischen Sprache. Um wie viel würde
dieser talentvolle Dichter die slovenische
Literatur wohl noch bereichert haben,
wenn ein hartnäckiges Leiden, welches
ihn seit 1832 quälte, es nicht verhindert
hätte. Ferner übersetzte er die „Ilias"
des Homer in einer Weise, welche dem
Original wenig nachsteht; dabei hand-
habt er den Hexameter in slovenischer
Sprache mit einer Meisterschaft, worin
ihm keiner der bisher bekannten Poeten
seines Vaterlandes gleichkommt. In seinen
letzten Lebensjahren, bereits ein Acht»
ziger, beschäftigte er sich mit der Ueber-
tragung von Dante's „Göttlicher Ko-
mödie" ins Slovenische, in ein Idiom
also, über dessen Inferiorität vor Kurzem
der sonst so chauvinistische
„Boniteur"
der nationalen Partei in Kram ein
rührendes Klagelied anstimmte. Die
Nebertragung der gewaltigen Schöpfung
des Florentiners war schon im Jahre
8l zum größten Theile vollendet.
Eine Sammlung der Dichtungen Vessel's
erschien, von der slovenischen ^
herausgegeben unter dem Titel: „
ii'ca Kwvsnska" (Laibach 4870, Blaznik,
8"., mit Portrat). In der Geschichte der
slavischen Literaturen von T. N. Pyvin
und V. D. Spasov ic wird er als «der
größte slovenische Dichter" bezeichnet.
Er hinterließ zwei Söhne: Victor und
und Wilhelm, und fünf Töchter, welche
sich sämmtlich vermalten, und von denen
zwei, Julie und Justine, Witwen sind.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Vastag-Villani, Volume 50
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Vastag-Villani
- Volume
- 50
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1884
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon