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Vogt, Johann Ncpomut 29 187 Vogl> Johann Ncpomuk 29
gar nicht selten große Reisen, um sich hören
zu lassen, zu machen pflegen, mch: einmal
ein Quartett zusammenfinden können, um dem
Dahingeschiedenen ein letztes Lied ins Grab
zu singen? Wo waren sie alle, die k. k. priu.
österreichischen Dichter und Schriftsteller, hatte
keiner von ihnen ein Stündchen Zeit, um
einem Collegen aus dem deutschen Dichter-
bunde die letzte Ehre zu erweisen? Und fand
sich aus den vielen Künstleruereinen Wiens,
die ewig gemeinschaftlich schmausen, jubiliren,
declamiren, tanzen und singen, nicht ein
Dutzend Künstler, um den Sarg des Mannes
zu begleiten, dessen Balladen sie auf der
Schuldank schon auswendig lernen mußten?
Als im Jahre 1839 Bauerle fern von der
Heimat in Basel starb, zog die halbe Stadt
auv und begleitete den Sarg mit feierlichem
Gepränge. Es galt einem österreichischen
Schriftsteller, sagicn damals die Baseler, und
in der Heimat läßt man die Dichter, die in
Ehren grau geworden, wie . . . Wir scheuen
uns, den Satz zu vollenden. Als der Cellist
Scrua is . dessen »souvenir <1^ ö^a^ den
Wienern noch im Gedächtniß lebt, bestattet
wurde, bethciligte sich die ganze Stadt an
dem Trauerzuge. Und doch war der Ver-
storbene „nur ein Geiger". Aber als der
Traucrzug durch die Stadt ging, waren alle
Laden geschlossen, sämmtliche Vereine'folgten
dem Sarge, die Ecken des Bahrtuches wurden
von dem Bürgermeister, dem Direcior des
Konservatoriums, dem Adjutanten des Bönigs,
cincm Professor, einem Mitgliede der Volks»
verireiung und anderen Notabilitäten getragen,
l.ind es war nur ein Geiger? Ioh . Nep.
Vogl war nur ein Dichter! Unter den
Wenigen, welche bis zu dessen letzter Ruhe«
statte gingen, befanden sich zwei Jünglinge,
welche auch vom Fluche der Poesie getroffen
waren und sich zum Leidwesen der Familien
ausschließlich der Dichtkunst widmen wollten.
Da standen nun die beiden Jünglinge an der
finsteren kalien Grube, in welche der Sarg
mit der Zeiche des Poeten sang» und klang»
los hinabgesenkt wurde. Er war trotz allen
Mängeln und Gebrechen ein gottbegnadeter
Poet. Hatte er nch Schätze erworben? Zierten
Ehrenzeichen seine Brust? Schloß die Stadt
vor dem Trauerzuge ihre Laden? Trugen
Honoratioren der Stadt und der Gemeinde
die Zipfel des Leichentuches? Nein. nichts von
alledem. Ein ironisch-wehmüthiges Lächeln
zuckte um die Lippen der beiden Jünglinge,
sie verließen Arm in Arm den Frirdhof, gingen in ihre Wohnungen, und jeder von idnen nahm
dort seine Papiere, zierlich beschrieben mit
poetischen Ergüssen, und warf sie ins — Feuer
des Ofens. Der Eine trat vor seinen Vater
und sagte-. „Vater, ich bin bereit, Ihren
Wunsch zu erfüllen, nehmen Sie mich von
morgen an auf die Börse mit!" Und der
Andere küßte seiner Frau Mama die Hand
und sagte.- „Von heute an. Mutter, widme
ich m'ch unserem Geschäfte!" — I . N. P o g l's
Grabdenkmal . Johann Nepomuk
Vog l wurde auf dem Schmelzer Friedhofe
beigeseht. Wie wenig würdig seine Bestattung
gewesen, darüber berichteten wir im Vor-
stehenden. Man suchte nachgerade die Unter«
lassungssünden der Wiener Schriftsteller», Künst-
ler- und Gesangvereine gut zu machen, und
der „Nicner Sängerbund", dessen Ehreninit«
glied Vogl war, nahm die Sache in die
Hand und vcranlaßie die Aufstellung eines
Denkmals auf dem Grabe des Dichters aus
Vereinsmitteln. Die Feier fand am 12. ilctober
1867 Nachmittags um zwei Uhr auf dem
Schmelzer Friedhofe statt. Die Denktafel des
Grabmals, welches in gothischer Giebelform
aus Kaiserstein gebildet und mit einer Kreuz»
rose geschmückt ist, enthält — nach des Dichters
Wunsch — folgende vier Strophen seines
Liedes „Die leyte Treue":
„Wenn ein Theures uns gestorben,
Schmückt man gern sein enges Haus
Noch mit Nosmarin und Nosen
Uno mit andern '^luimn aus.
Darum auch. wenn euch, ihr Lieben.
Einst nur diese Hülle blieb,
Schmückt auch mir mein Haus mit Blumen,
Hab' die Blumen ja so lieb.
Doch wenn just der Winter hätte
Allen Schmuck geraubt dein Hain.
Legt statt ihrer meine Lieder
Wir noch in den Sarq hinein.
Sind auch minder reich als Blumen
Sie an Duft und Farben^lut.
Denkt: bei seinen Kindern schlum»
in e r t
Wohl ein Vater d op p e l t a u t."
Darunter stehen dann die Norie: „Der
Wiener Sängerbund seinem Ehrenmitgliede
Dr. Ioh. Nep. Vogl, > geboren am 7. Februar
1802. I gestorben am 16. November 1866".
Die Grabrede, welche der Vorstand des Ver»
eines, A. Nessels, halten sollte, unterblieb.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Volume 51
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Villata-Vrbna
- Volume
- 51
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 350
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon