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Vogler, Georg Joseph 220 Vogler, Georg Joseph
ganz ähnliches herstellen, welcher Umtausch
binnen wenigen Tagen in aller Stille vor
sich ging. Nun ermannte sich auch der Ver«
sckönerungsverein der Stadt und ließ das
Wohn» und Sterbehaus Vogler's mit einer
..Gedenktafel schmücken. s^Payne's Allge»
meineI l lustr i r te Zeitung. 1866.S.203:
„Abt Vogler's Grab".)
V. Abbö Vogler's Simplisicationssyftem. Daß
sich ein großer Theil der künstlerischen Thätig«
keit des Meisters auf dem Felde der Orgel«
baukunst bewegte, wurde in der obenstehen»
den Lebensskizze angedeutet. Gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts stellte nun der Abbä
sein sogenanntes Simpl i f icat ions» (Ver<
einfachungs») System auf, welches Haupt»
fächlich darin bestand, daß sämmtliche Register
auf einen sehr engen Raum zusammengedrängt
wurden, wodurch die Windführung aller«
dings eine bedeutende Vereinfachung erfuhr.-
dann verwarf es die Mirturen (gemischten
Stimmen in der Orgel), Tertien, Nasale
u s. w., wie auch die mehr spielerischen
Stimmen, wie Cymbal u. dgl. m. Ferner
stellte es die Pfeifen anders, und zwar in
aufeinanderfolgenden Reihen nach Art der
Saiten eines Clauiers oder einer Harfe, und
endlich verwarf es allen äußerlichen Zierat
und alle Prachtentfaltung durch glänzende
Prospectpfeifen. Wenn nun dieses System
auch nicht in seiner ganzen Conseauenz Ein»
gang gefunden hat, weil es der gescbmack»
vollen Aufstellung alles siecht entzog und
die allzu dichte Häufung der Pfeifen der
vollen Entwickelung ihrer Klangfülle im
Wege steht, so bewirkte es doch eine heilsame
Reaction im Orgelbaue überhaupt, indem es
m denselben mehr Zusammenhang und
Ordnung brachte und dem vorwiegenden
bloßen Empir ismus, nach dem die meisten
Orgelbauer verfuhren, ein Ende machte und
mehr zu Wissenschaftlich kei t führte.
V^l. Dogl.er's künstlerische Kedentung in der
Musikgeschichte. Wie schon bemerkt, zählte
unser Componist neben seinen zahlreichen
Freunden und Verehrern nicht wenige, und
zwar entschiedene Gegner, wie denn überall,
wo viel Licht, sich auch Schatten lagern.
Wenn es nun auch nicht zu leugnen ist, daß
Vogler nicht frei von Eitelkeit und kluger
Berechnung dessen war, wovon er sich von
der Welt Erfolg versprechen konnte, daß er
den Glanz und Schein liebte, daß ihm in der Kunst oft die Form über den Inhalt, die
Wirksamkeit über die Tiefe des inneren Ge«
Haltes ging, daß er sich mit besonderem
Interesse an dem sinnlich Wohlgefälligen
erfreute, ja daß er gerade auf diese Weise
nicht selten auf Irrwege gerieth, die ihn von
dem höchsten Zwecke der Kunst abführten, so
darf doch nicht verkannt werden, daß er nicht
blos ein hervorragendes Talent für die Musik
und deren Ausübung besaß, sondern daß er
auch wirklich van glühender Begeistel'ung für
die Kunst erfüllt war. Nur so erklärt sich
seine rastlose Thätigkeit für dieselbe nach den
verschiedensten Seiten hin, nur so seine zähe
Ausdauer im Kampfe mit allen sich ihm ent-
gegenstellenden Schwierigkeiten. Mögen seine
akustischen Anordnungen in Kirchen uud
Sälen sich oft nicht bewährt haben, er zeigte
doch eine tiefe Kenntniß der aus reicher musi-.
calischer Erfahrung abgeleiteten Regeln für
Tonbildung und für die Hervorbringung
tönender Klänge. Nicht blos theoretischer
Grübler, war er zugleich talentvoll genug,
seine neuen Ansichten und Principien in einem
Kunstwerke lebendig werden zu lassen, wenn
dieses auch nicht auf die Dauer zur Geltung
kam, sondern nur die Forschung auf dem
Gebiete der Akustik förderte. Das Ertra-
vagirende in seinem Ocgelspiel ist langst ver«
gessen, aber der große, seit Sebastian Bach
fast unerhörte Beherrscher der Orgel, der mit
seiner freien Phantasie die wunderbarste Be->
wegung nicht minder auf dem Gebiete des
Lieblichen, als des Erhabenen und Erschüt«
ternden hervorrief, wird nie vergessen werden.
Wer kennt heute noch Vogler's Opern? Und
dennoch waren sie für jene Zeiten bedeutend.
Mit besonderer Vorliebe für das Großartig«:
Heroische erfüllt, und in dem nach der l.'las<
sischen Tragödie gebildeten dr2.N» I^ria.u,s
dic Norm mr die Oper sehend, war er, auf
den Schultern G luck's stehend, mit seltener
Kenntnlß der Instrumente ausgerüstet und
gewandt genug, dieselben dem Charakter, den
er seinen Tonstücken geben wollte, anzupassen,
vorübergehend in Süddeutschland, in Wien
und München der deutsche Vorläufer Spon<
tini 's; wie dieser verschmähte er aber auch
den größten Pomp der Scenerie und die
reichsten Orchestermittel nicht und war, gleich
ihm, unermüdet m Proben, deren Zahl zu«
weilen beinahe ein halbes Hundert betrug,
wodurch er aber auch wie Spont in i Auf»
führungen von solcher Vollendung ermög»
lichte, daß gerade diese vollendete Ausführung,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Villata-Vrbna, Volume 51
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Villata-Vrbna
- Volume
- 51
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 350
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon